Jungle World, 22. November 2012

Alles so schön digital hier

Böhmische Dörfer (15): Frankfurter Rundschau, Financial Times, Prinz - ein paar analoge Gedanken zum Produkt Tageszeitung



Wer hat bei der Nachricht vom vermutlich baldigen Ableben der Frankfurter Rundschau nicht gedacht: Mensch, da hat’s mal wieder einen erwischt? Wieder ein Druckerzeugnis, das den schmaler werdenden analogen Bach heruntergeht. Und dann auch noch die altehrwürdige FR! Dieses linksliberale Produkt der Nachkriegs-Bundesrepublik. Hat das täglich gedruckte Wort gar keinen Wert mehr?

Am selben Tag dann die Mitteilung, das Stadtmagazin Prinz werde eingestellt. Künftig findet man die Tipps zum Ausgehen nur noch im Internet. Gleiches gilt wohl für News aus der Wirtschaftswelt. Die Financial Times Deutschland soll in einem bedauernswerten Zustand sein. Oh weh, das Netz fordert seine Opfer. Bald, vielleicht schon sehr bald, schlägt dem Papier und der Druckerschwärze das letzte Stündlein. Keine Frage, Print ist so gut wie tot. Und wer sich als einfacher Journalist nicht längst zum Social-Media-Crack gemausert hat, der kann gleich mit einpacken.

Das mag zynisch klingen, ist aber ganz ernst gemeint. Gestandenen Zeitungsmachern wird schummrig vor Augen ob der vielen beunruhigenden Meldungen aus der Medienwelt. Das schnelle Internet mit seinen schier unbegrenzten Möglichkeiten setzt der Branche bedrohlich zu. Vor allem der Anzeigenmarkt als Haupteinnahmequelle ist zusammengebrochen oder er existiert nur noch als Postwurfsendung. Das ist alles richtig, aber das allein kann den Untergang einer traditionsreichen Zeitung wie der FR dennoch kaum erklären. Oft kommt schlechtes Management hinzu. Und die gern geleugnete Tatsache, dass an den Bedürfnissen der Leser vorbei Zeitung gemacht wird. Vom Qualitätsverlust ganz zu schweigen.

Dies alles wäre schlimm genug. Aber vielleicht ist alles ja noch viel schlimmer. Womöglich fehlt dem täglich Gedruckten mittlerweile schlicht die Daseinsberechtigung. Zumindest zieht Wolfgang Blau ebendiese ernsthaft in Zweifel. Der Noch-Chefredakteur von Zeit online nennt in einem Facebook-Posting die Tageszeitung ein »fragliches journalistisches Konstrukt«. In der Tat reicht es heutzutage nicht mehr aus, die Nachrichtenwelt einfach abzubilden. Informationen bekommt man im Internet überall, und zwar sehr schnell. Da kann keine Tageszeitung, die gedruckt und vertrieben werden muss, mithalten.

Besser wäre es, wenn man sich ausschließlich darauf konzentrierte, aus der unüberschaubaren Meldungsmenge die wirklich wichtigen Nachrichten auszuwählen und diese analytisch aufzubereiten. Auch eine fundierte Meinungsäußerung kann durchaus hilfreich sein. Damit der Leser sich am Morgen eine eigene Meinung darüber bilden kann, was tatsächlich von Bedeutung ist. Dafür wird journalistischer Sachverstand benötigt – täglich. Schlüge man konsequent diese Richtung ein, könnte es bereits bald heißen: Die Tageszeitung lebt! Und wie!

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Dr. Christian Böhme
Journalist

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