Der Tagesspiegel, 23. Januar 2013

Der Frieden muss warten

Warum die Wahl in Israel nichts am Nahostkonflikt ändern wird

Es gibt Siege, die fühlen sich im ersten Moment fast wie eine Niederlage an. Benjamin Netanjahu wird zwar - gewiefter Taktiker, der er ist - vermutlich wieder als Premier auf der Regierungsbank Platz nehmen können. Aber so richtig große Freude wird nach diesem Wahlausgang wohl kaum aufkommen. Klar, sein konservatives Parteienbündnis Likud-Beitenu stellt im neuen Parlament die mit Abstand größte Fraktion. Doch der wochenlang in Umfragen angekündigte große Erfolg ist am Dienstag ausgeblieben. Die Israelis rechneten offenbar fest mit einem Durchmarsch des rechten Lagers. Und genau das hat „Bibi“ möglicherweise wichtige Stimmen gekostet. Die konnten stattdessen überraschenderweise die Mitte-Links-Parteien für sich verbuchen. Der gerade im Ausland befürchtete Rechtsruck blieb also aus. Nun muss Netanjahu erst einmal eine halbwegs stabile Koalition auf die Beine stellen. Das wird schwierig genug.

Aber täusche sich keiner: Selbst wenn Netanjahu künftig gezwungenermaßen auf liberalere Kräfte angewiesen sein sollte, heißt das noch lange nicht, dass dies dem dahinsiechenden Friedensprozess wieder auf die Beine hilft. Diejenigen linken Parteien, die jetzt in die Knesset eingezogen sind, haben während des Wahlkampfs einen ziemlich großen Bogen um den Nahostkonflikt gemacht. Die Zwei-Staaten-Lösung? Wen schert’s. In Israel anscheinend kaum einen. Nach Jahren der Enttäuschungen und angesichts der düster, weil islamistisch wirkenden Folgen des Arabischen Frühlings glauben nur noch die Wenigsten an ein halbwegs gedeihliches Nebeneinander. Wäre es anders, die Israelis hätten in guter demokratischer Manier am Dienstag die Chance gehabt, ihren Premier per Wahlzettel richtig abzustrafen. Dies ist offenkundig nicht geschehen. Netanjahu kann wohl weiter machen.

Im Klartext heißt das: Es wird bei einer harten Linie gegenüber den Palästinenser – die allerdings auch keine Anstalten machen, sich für den Frieden ins Zeug zu legen – bleiben, einschließlich des illegalen Siedlungsbaus auf besetztem Gebiet. Sehr zum Verdruss der wenigen noch verbliebenen Israel-Freunde. Die ärgern sich schon lange zu Recht über Netanjahus Starrköpfigkeit. Insbesondere die USA mit Barack Obama an der Spitze sind gar nicht gut auf Israels Regierungschef zu sprechen. Der wiederum hält den US-Präsidenten für ein Weichei. Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, dass das Verhältnis zwischen dem jüdischen Staat und seinem wichtigsten Verbündeten sich nochmals verschlechtern wird. Gute Nachrichten für den Nahen Osten klingen anders.

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Dr. Christian Böhme
Journalist

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