Jungle World, 17. Mai 2013

Post von Huffington

Böhmische Dörfer (23): Ein amerikanische Online-Nachrichtenportal expandiert nach Deutschland. Kann das gut gehen?

Es ist ein heikles Experiment, ein Wagnis mit ungewissem Ausgang. Ein riskantes Unternehmen. Die Rechnung kann zwar aufgehen. Aber es ist gleichfalls durchaus möglich, dass am Ende ein klägliches Scheitern steht. Bislang gibt es ohnehin nur eine Ankündigung. Doch die hat es in sich und der hiesigen Medienbranche Stoff zum Debattieren gegeben: Das in Amerika sehr erfolgreiche Nachrichtenportal „Huffington Post“ bekommt noch in diesem Jahr einen deutschen Ableger. Spätestens zur Bundestagswahl soll die Internet-Seite online gehen. Und wenn alles nach den hochfliegenden Plänen der Verantwortlichen geht – die Huffpost-Macher kooperieren mit der Tomorrow Focus AG, die mehrheitlich zum Burda-Verlag gehört –, dann wirft das Angebot schon in zwei Jahren Gewinne ab. Eine digitale Nachrichtenseite, die richtig Geld macht, anstatt Millionen Euro zu verbrennen? Noch mag man’s kaum glauben.

Denn was in den USA und anderen europäischen Ländern funktioniert, muss für den deutschen Markt kein zwingendes Erfolgsrezept sein. Die Huffington Post wurde 2005 von der inzwischen schon legendär umtriebigen Arianna Huffington gegründet. Ihr Geschäftsmodell ist recht simpel. Das Portal – eine Mischung aus Blog, Nachrichtenseite und Politplattform – bezieht seine Inhalte hauptsächlich über Autoren, die keinen Cent kosten. Neben einigen fest angestellten Redakteuren sind es vor allem Tausende Blogger, deren Geschichten zu fast jedem Thema Tag für Tag veröffentlicht werden. Das schafft nicht nur Masse, sondern auch Reichweite. Die ist unerlässlich, um Anzeigen zu verkaufen. Und mit deren Hilfe wiederum sollen möglichst hohe Gewinne erzielt werden.Klingt simpel. Aber wenn’s so einfach wäre, mit Online-Nachrichtenportalen Geld zu machen, dann würden nicht nur Platzhirsche wie Spiegel.de oder Bild.de Scheine zählen können.

Doch davon kann keine Rede sein. Der digitale Werbemarkt wächst zwar rasant, macht aber dennoch in Deutschland bislang nur einen kleinen Teil des Anzeigenkuchens aus. Dass der Neuling Huffpost daran etwas signifikant ändern kann, ist kaum mehr als eine vage Hoffnung für ferne Zeit.Apropos Zukunft. Das „amerikanische Modell“, so interessant es auch wirkt, weil auf das Know-how diverser Mitarbeiter gesetzt wird und Social-Media-Nutzer als Leser angelockt werden, ersetzt keinesfalls klassischen Journalismus. Die Huffington Post generiert kaum eigene Nachrichten, verlinkt dafür häufig. Sie sammelt also Internet-Inhalte und bereitet sie mediengerecht auf. So etwas hat sehr wohl seine Berechtigung. Doch Quantität bedeutet nicht automatisch Qualität. Die gibt es nur, wenn aus der Informationsflut das wirklich Wichtige ausgewählt, eingeordnet und erklärt wird – mithilfe professioneller journalistischer Arbeit.

Kontakt

Dr. Christian Böhme
Journalist

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