The European, 13. Oktober 2011

Schluss mit lustig

Die linken Anschlagsversuche in Berlin zeugen von einer Mentalität der Überheblichkeit und Gesetzeslosigkeit – das ist brandgefährlich

Pausenmodus. Das klingt angenehm, nach Ruhe und Erholung, nach ein bisschen Laissez faire, nach zumindest einer kurzen Phase der Besinnlichkeit und des inneren Friedens. Warum also nicht auch mal die deutsche Hauptstadt mit ihrer hektischen Aufgeregtheit, ihrem rastlosen Politikbetrieb zumindest für einen bescheidenen Moment „entschleunigen“? Genau das hat sich eine offenbar linksextremistische Gruppe vorgenommen. Der Haken daran: Sie will dieses Ziel selbstherrlich, vor allem rücksichtslos durchsetzen – und setzt dabei auf Gewalt, die ihr Handeln entlarvt. Denn die Brandanschläge der vergangenen Tage auf das Schienennetz der Bahn in und um Berlin sind nichts anderes als kriminelle Taten, die mit ein wenig Pseudo-Lyrik inhaltlich aufgewertet werden sollen. Frei nach dem unseligen Motto aus längst eingemotteten Sponti-Zeiten: legal, illegal, scheißegal.

Doch solche Robin-Hood-Slogans dürfen auf keinen Fall den Blick auf die Täter trüben oder gar ihre Taten romantisch verklären. Es handelt sich eben nicht um „einen losen, wirren Haufen von Chaoten“, die gerade Randale machen. Wir haben es vielmehr mit Leuten zu tun, die zumindest billigend in Kauf nehmen, dass andere Menschen zu Schaden kommen. Radikale, mit Sprengsätzen und einem ideologisch verfestigten Weltbild. Ihr Feind: das „herrschende System“.

Dass dieser Gegner mit Gewalt bekämpft werden muss, steht für Teile der linken Szene schon lange Zeit als Gewissheit fest. Nur über das Wie wird gestritten. Dürfen im Kampf gegen den Kapitalismus Luxusautos brennen oder auch der kleine Toyota des Herrn Nachbarn? Soll man sich auf friedliche Demos beschränken oder darf der Protest gegen den Afghanistankrieg ruhig mal richtig wehtun, weil er gewalttätig daherkommt? Absurde Fragen, brandgefährliche zumal. Wer so denkt, überschätzt nicht nur sich selbst, sondern kennt auch keine Grenzen mehr. Der Staat und seine Gesetze, die offene Gesellschaft sind ihm egal, scheißegal.

Man braucht nicht gleich die RAF-Zeiten als Schreckgespenst an die Wand zu malen, um in dieser Entwicklung höchst Bedrohliches zu entdecken. In der linken Szene hat sich mittlerweile neben dem extremen Milieu ein extremistisches etabliert. Militante, die Sprengsätzen huldigen. Deshalb ist es wenig hilfreich, ja allzu verharmlosend, wenn sogar der Verfassungsschutz die Sabotage der Bahnanlagen als „Eigentor“ für die „in der Szene isolierten“ Täter bezeichnet. Als ob das die Attentäter interessieren würde! Sie haben sich bereits vor geraumer Zeit in die Selbstisolation begeben, sind unempfänglich für jede Art von Zureden. Mit „Etablierten“ wie den Grünen und der Linkspartei hat von denen keiner etwas am Hut. Die Brandstifter fühlen sich nur einer Sache verpflichtet: dem Kampf gegen vermeintliche Biedermänner. Staat, Gesellschaft, Demokratie? Die können uns mal. Und dieses Deutschland sowieso.

Das darf, das muss beunruhigen. Aber haben wir es schon mit Linksterrorismus à la Baader, Meinhof und Ensslin zu tun? Steht eine Neuauflage der Roten Armee Fraktion bevor? Feiern die Revolutionären Zellen Wiederauferstehung? Darauf mit einem klaren Ja zu antworten, wäre hoffentlich übertrieben. Noch ist nämlich unklar, ob die Täter bereits über eine ähnliche Organisationsstruktur wie einst die RAF verfügen. Allerdings wird es der tatsächlichen Gefährdungslage sicherlich kaum gerecht, wenn das Bundesinnenministerium auf den Inhalt des Strafgesetzbuchs verweist. Der Weg vom Linksextremismus zum Linksterrorismus lässt sich nun mal kaum anhand von ein paar Paragrafen verfolgen. Denn dass die Zündler auf einem schlechten Weg sind, daran besteht kein Zweifel.

Bei ihnen paart sich auf unheimliche, abstoßende Art und Weise kriminelle Energie mit einem hohen Maß an Gewaltbereitschaft. Sie terrorisieren mit ihren Anschlägen gegen die Infrastruktur die Bevölkerung und fordern damit gleichzeitig die Staatsgewalt gezielt heraus. Ein leicht entzündlicher Cocktail ist da gemixt worden. Angereichert mit einem kräftigen Schuss Ideologie kann daraus rasch ein gefährlich explosives Gebräu werden. Man kennt das zur Genüge von Islamisten und Rechtsradikalen.

Deshalb ist es grundfalsch, die Brandanschläge von Berlin als das Werk einiger irrlichternder Linksaktivisten abzutun. Weit gefehlt. Das Abfackeln von Autos oder Signalkabeln hat nichts, aber auch gar nichts mit einem Kavaliersdelikt gemein, bei dem man getrost mal ein Auge zudrücken, gegebenenfalls sogar klammheimliche Sympathie empfinden kann. Im Gegenteil, hier ist Gefahr im Verzug, ist die wehrhafte Demokratie gefragt. Und in einer solchen Situation hilft nur eines: Schluss mit dem Pausenmodus im Kampf gegen Linksextremismus. Damit aus ihm kein Terrorismus wird.

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Dr. Christian Böhme
Journalist

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