Jungle World, 6. Juni 2013

Geld für Bild

Böhmische Dörfer (24): Warum es für digitale Zeitungen so schwierig ist, den Nutzer für Inhalte zur Kasse zu bitten

Anfang nächster Woche wird es bei vielen Nutzern von bild.de lange Gesichter geben. Die einen werden sich kopfschüttelnd fragen, warum trotz mehrmaligen Anklickens das Interview mit Promi Soundso einfach nicht auf dem Bildschirm erscheinen will. Die anderen werden fluchen, weil ihnen eine schlüpfrige Enthüllungsgeschichte aus der Welt der Reichen und der Schönen vorenthalten bleibt – es sei denn, sie sind bereit, sich Exklusives etwas kosten zu lassen. Denn am 11. Juni macht der Springer-Konzern ernst mit seiner Ankündigung: Für bestimmte Inhalte auf bild.de gibt es künftig eine Bezahlschranke.

Paid Content heißt das heutzutage. Gemeint ist damit, dass der Nutzer für digitale Angebote ein paar Euro berappen muss. Schluss mit der Schnäppchen-Mentalität, die gerade die Bild-Zeitung gerne pflegt. Kostenfrei bekommt man nur noch die „reine“ Nachricht. Wer darüber hinaus etwas nutzen will, wird zur Kasse gebeten. Ein mutiger Vorstoß. Und ein ziemlich riskanter. Womöglich reagiert der Leser nämlich mit Liebesentzug. Ein paar Millionen Klicks weniger können selbst den Platzhirsch rasch in Bedrängnis bringen und ohnehin knauserige Anzeigenkunden (Achtung, Reichweite!) nachdenklich stimmen. Kein Wunder also, dass die Medienbranche gebannt auf das Ergebnis des Experiments schielt. Denn seit Langem lautet die Kardinalfrage: Wie lässt sich in der Online-Welt Geld verdienen?

Die Antwort darauf gleicht dem Stochern im Nebel. Das ist auch bei Springer nicht anders. Bereits vor einigen Monaten hat das Unternehmen welt.de Internet-Angebote teilweise kostenpflichtig gemacht. Nur: Angaben darüber, wie die Kundschaft darauf reagiert hat und ob nennenswerte Einnahmen erzielt wurden, die gibt’s bislang nicht. Das mit der Bezahlschranke wird doch wohl kein Reinfall sein, oder?Hoffentlich nicht. Weil die Verantwortlichen von bild.de im Grunde völlig recht damit haben, dass Qualitätsjournalismus viel Geld kostet. Also kann es keineswegs unsittlich sein, dafür mehr als nichts zu verlangen. Nun mag man zwar beim Boulevard insbesondere Qualität vermissen. Das Grundsätzliche der Aussage bleibt davon allerdings unberührt. Auf Dauer können es sich die Verlage einfach nicht leisten, im Netz alle Inhalte gratis anzubieten.

Wofür wäre der Online-Leser überhaupt bereit zu zahlen? Bestimmt nicht für Dinge, die er gewohnt ist, frei Haus geliefert zu bekommen. Eine Allerwelts-Meldung wird dem Nutzer sicherlich keinen Cent wert sein. Die bekommt er im Internet an jeder Ecke rund um die Uhr. Doch für umfassend recherchierte Hintergrundinformationen, gut aufbereitete Themenpakete oder hochwertige Serviceangebote mit Nutzwert wären wohl viele Menschen bereit, in die virtuelle Tasche zu greifen. Schließlich weiß jeder: Qualität kostet. Und sie zahlt sich aus.

Kontakt

Dr. Christian Böhme
Journalist

Telefon: +49(0)176.32 73 83 34

kontakt@christianboehme.info