Jungle World, 29. November 2013

Feige Schweden

Böhmische Dörfer (32): Warum das schwedische Möbelunternehmen Ikea vor den Mächtigen in Russland einknickt

Ikea ist Kult. Denn das schwedische Unternehmen macht Möbel für Massen in Massen. Weltweit und sehr erfolgreich. Weil ein Regal wie Billy eben nicht nur praktisch, sondern auch noch preiswert ist, weil zum Selbstaufbauen. Jeder hat also sein heimisches Glück selbst in der Hand. „Demokratisches Design für alle“, so lautete einst die Idee von Firmengründer Ingwar Kamprad. Und diese Maxime findet in Slogans wie „Wohnst du noch oder lebst du schon?“ den Weg in die Köpfe der zig Millionen Verbraucher.

Nur: Wenn es darauf ankommt, ist es offenbar beim Konzern mit den selbst propagierten Werten wie Liberalität, Toleranz, Freiheit und Gleichheit nicht weit her. Stattdessen lenken Obrigkeitsdenken, Duckmäusertum, vorauseilender Gehorsam die Verkaufsstrategien. Zumindest wenn es die Inneneinrichter mit repressiven staatlichen Vorgaben zu tun bekommen.

Anders kann man wohl kaum erklären, was gerade in Russland passiert ist. Dort wurde die Geschichte zweier lesbischer Frauen, die gemeinsam in London ein Kind aufziehen, vorsorglich aus dem Kundenmagazin „Family“ gestrichen. Der Grund: Man möchte möglichen Ärger mit dem Kreml und einen eventuellen Rechtsstreit aus dem Weg zu gehen. Denn das dortige Recht stellt seit kurzem positive Äußerungen über Homosexualität unter Strafe. Und was tut der Möbelriese? Folgt brav den Anweisungen und knickt damit vor den Mächtigen ein.

Vielleicht sollte Ikea bei Werbeaktionen in Russland künftig das Maskottchen austauschen. Der Elch passt nicht so recht zur demonstrativen Staatsnähe. Ein Bär wäre vermutlich angebrachter. Denn es ist nicht das erste Mal, dass der Konzern sich lieb Kind bei den Mächtigen macht. Erst im September löschte Ikea Bilder von seiner russischen Internetseite. Darauf waren Jugendliche zu sehen, die bunte Skimasken trugen – sicherlich ein Anspielung auf die Punkband Pussy Riot, deren Mitglieder zuvor wegen „Blasphemie“ inhaftiert worden waren.

So viel Kritik am Wladimir-Putin-Staat war den Managern dann aber doch zu heikel. Also weg damit. Man will ja schließlich auf dem Wachstumsmarkt Russland Geschäfte machen. Die Begründung für den Rückzug las sich folgendermaßen: Ikea arbeite jenseits von Politik und Religion. „Wir können nicht zulassen, dass unsere Werbung für irgendeine Kampagne genutzt wird.“ Eine ziemlich weit hergeholte Rechtfertigung für Selbstzensur.  

Aber Ikea kann auch anders! Zumindest wenn das Unternehmen es mit einer Demokratie zu tun hat. Im katholischen Italien zogen die Schweden den Zorn der Traditionalisten auf sich, weil zwei schwule Männer Werbung für die „Family-Card“ machten. Der Mut rührt wohl daher, dass im kriselnden Italien wohl nicht so viel Geld zu machen ist wie in Russland. Dort gilt deshalb die Devise: Erst das Geschäft, dann die Moral.

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Dr. Christian Böhme
Journalist

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