Jungle World, 21. März 2014

Rechts, links - Hoeneß

Böhmische Dörfer (37): Wie die Medienschaffenden auf den Prozess gegen den ehemaligen Bayern-Präsidenten reagieren

Rote Karte! Platzverweis! Wegen eines groben taktischen Fouls im Strafraum des Staates! Deshalb auch eine Sperre von mehr als drei Jahren! Da half auch anfängliches Leugnen und späteres Bereuen nichts mehr. Für den Schiedsrichter stand fest: Wer derartig über die Stränge schlägt und Koffer voller Schwarzgeld außer Landes schafft, muss büßen. Selbst wenn der betreffende Uli Hoeneß heißt, die Fußballweltmacht FC Bayern München verkörpert und überhaupt ein Großkopferter ist. Schließlich hat der Mann wie ein gewöhnlicher Krimineller Steuern hinterzogen.

Ungewöhnlich ist allerdings die Fallhöhe. Hoeneß bewegte sich in Sphären, die Normalsterbliche gerade mal vom Hörensagen kennen. Dementsprechend tief fiel der Mann, der sich stets in allen Belangen selbst gefiel. Und genau das machte die Sache für die Medien so attraktiv. Ein Moralapostel, der sündigt. Ein Besserwisser, der sich eines Besseren belehren lassen muss. Ein Maulheld, der nun kleinlaut zugibt, von ihm lauthals geforderte Maßstäbe geflissentlich ignoriert zu haben. Wow, das sind Geschichten, die das Journalistenherz höher schlagen lassen!

Folglich hat die Branche nicht nur gekleckert, sondern so richtig geklotzt, und das schon vor dem Urteil. Vorbericht, Liveticker, Videoanalyse, Grafiken, Porträts – Hauptsache viel, Hauptsache auffällig. Okay, das sind die Regeln des Geschäfts. Spannend am Fall Hoeneß war etwas anderes:  die Gefechtslage auf dem hart umkämpften Schlachtfeld der Meinungen.

Und siehe da, die alten, fast schon vergessenen Beißreflexe bundesrepublikanischer Zeiten scheinen noch prächtig zu funktionieren. Jene Zeitungen, die sich gemeinhin eher auf der linken Seite des politischen Spektrums verorten (zum Beispiel die Taz oder die Frankfurter Rundschau) gingen mit Uli H. ziemlich hart ins Gericht. Zwischenzeitlich hatte man fast den Eindruck, es bräuchte gar keine Justiz mehr, um den ehemaligen Präsidenten der Münchener Bayern zu verurteilen. Frei nach dem etwas aus der Zeit gefallenen Motto: Nieder mit dem Kapitalismus und seinen Repräsentanten.

Jene Zeitungen wiederum, die als traditionell konservativ bezeichnet werden müssen (etwa die Welt), bemühten sich im Fall Hoeneß den Ball möglichst flach zu halten. Ja, alles nicht schön und wahrlich kein Kavaliersdelikt. Aber, bitte schön, auch kein staatsgefährdender Weltuntergang. Es gab doch eine Selbstanzeige. Und hat der Uli nicht Reue gezeigt? Na also! Dreieinhalb Jahre Gefängnis statt Champions League ist ja auch nicht gerade von Pappe, oder?

Uli Hoeneß vor Gericht – selten hat die Republik ein derartiges Schauspiel erlebt. Und die Medien dieser Republik saßen nicht nur in den Zuschauerreihen, sondern waren fast schon ein Teil der Inszenierung. Irgendwie ist da dramaturgisch etwas schief gegangen.

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Dr. Christian Böhme
Journalist

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