Der Tagesspiegel, 3. Juni 2014

Kosmetik für die Weltöffentlichkeit

Mahmud Abbas' Fatah macht gemeinsame Sache mit der islamistischen Hamas. Die verfeindeten Brüder wollen die Palästinenser einen. Doch die Realität sieht anders aus

Die Palästinenser jubeln. Sie freuen sich über die auf dem Papier wiedererlangte Einheit ihres Volkes. Weil die Aussöhnung von Fatah und Hamas – jetzt symbolisch besiegelt mit einer gemeinsamen Regierung – die leidgeprüften Menschen von einer besseren Zukunft träumen lässt, nach Jahren des Zerwürfnisses. Das sei ihnen gegönnt.

Nur: Die Euphorie wird rasch verfliegen und einer ernüchternden Katerstimmung weichen. Da helfen weder demonstrative Geschlossenheit noch hehre Worte. "Wir erklären die Spaltung, die unserer nationalen Sache so katastrophalen Schaden zugefügt hat, heute für beendet", schwärmte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas am Montag – wohl wissend, dass der Bruderzwist keineswegs beendet ist. Bestenfalls übertüncht das jetzt präsentierte Expertenkabinett, das im Westjordanland und im Gazastreifen bis zu Parlamentswahlen regieren soll, die Realität.

An der hat sich nichts geändert: Die Führungen der säkularen Fatah und der islamistischen Hamas sind sich nach wie vor spinnefeind. Der Bürgerkrieg vor sieben Jahren, der blutige Putsch der Hamas im Gazastreifen, bleibt ein Fanal. Und der innerpalästinensische Streit aufgrund der Gegensätzlichkeit der Kontrahenten im Grunde unlösbar. Dass beide Gruppen dennoch vollmundig die Spaltung für beendet erklären und sich theatralisch in den Armen liegen, ist einem einfachen Umstand geschuldet. Sowohl Hamas als auch Fatah fehlt es zunehmend an Legitimität und politischem Spielraum. Das Volk murrt immer lauter, fordert mehr Freiheit und ein besseres Leben für sich. So sind die Apparatschiks in Ramallah und Gaza-Stadt mehr hilflos Getriebene als überzeugend Agierende.

Das gilt vor allem für die Hamas. Deren Führungsclique ist inzwischen genauso isoliert wie der Küstenstreifen, in dem sie noch das Sagen haben. Mit dem Sturz des Muslimbruders Mohammed Mursi ist ihnen der wichtigste Verbündete abhanden gekommen. Das nun von Militärs beherrschte Ägypten hat die Kooperation beendet und setzt stattdessen auf Konfrontation. Dementsprechend bedrückend ist die Lage in Gaza, politisch wie wirtschaftlich.

Mahmud Abbas braucht ebenfalls dringend eine breitere Machtbasis – und vorzeigbare Erfolge. Der PLO-Chef herrscht de facto zwar seit Jahren, aber ihm fehlt ein Mandat durch das Volk. Da kann es nichts schaden, wenn die neuen Freunde von der Hamas mit ins Regierungsboot geholt werden. Zumal die Friedensgespräche mit Israel als gescheitert gelten müssen und Abbas deshalb nun auf eine diplomatische Offensive bei Vereinten Nationen setzt, um einen Staat Palästina doch noch zu ermöglichen. Auch dafür kann sich die Liaison mit der Hamas durchaus als nützlich erweisen.

Doch das alles ist kaum mehr als Oberflächenkosmetik für die Weltöffentlichkeit. Die tief greifende Fehde mit den Islamisten bleibt bestehen. Spätestens, wenn Abbas die Verfügungsgewalt über die Waffen der Hamas einfordert und deren Funktionäre Posten wie Macht abgeben sollen, wird die Kluft zwischen den vermeintlichen Brüdern wieder offen zutage treten. Ganz abgesehen davon, dass die in Gaza Herrschenden einer Terrororganisation angehören. Und die hat sich die Vernichtung Israels auf die Fahnen geschrieben hat, spricht dem jüdischen Staat mit aller Gewalt jedes Existenzrecht ab.

Genau das macht es Benjamin Netanjahu so leicht, Gespräche mit der neuen palästinensischen Regierung kategorisch abzulehnen. Kein israelischer Politiker könnte es sich leisten, auf militante Juden-Feinde zuzugehen. Wer es dennoch wagte, den würde ein Sturm der Entrüstung hinwegfegen. Zuviel Blut klebt an den Händen der Hamas. Das weiß auch Mahmud Abbas nur zu gut. Dennoch umarmt er die Islamisten – allein um des eigenen Vorteils willen. Ein allzu durchsichtiges Manöver. Am Ende wird es ihm mehr schaden als nutzen. Und die heute noch jubelnden Palästinenser maßlos enttäuschen.

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Dr. Christian Böhme
Journalist

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