Starke Meinungen, 30. November 2011

Unzurechnungsfähig – was für ein Wahnsinn

Laut eines Gutachtens ist der Massenmörder Anders Breivik geisteskrank. Ist er ein Fall für die Psychatrie?

Vorsicht, bitte! Das, was jetzt folgt, ist weder ausgewogen noch nüchtern analysierend. Kein „Sowohl als auch“ oder „einerseits, andererseits“. Nichts tiefsinnig Reflektierendes und Relativierendes. Im Gegenteil. Hier soll Fassungslosigkeit, Unverständnis, ja blankes Entsetzen zum Ausdruck kommen. Schließlich geht es um den Unsinn mit dem Wahnsinn.

Anders Behring Breivik, der 77-fache Mörder von Oslo, ist von Gutachtern für unzurechnungsfähig erklärt worden. Die Psychiater bescheinigen dem 32-Jährigen eine paranoide Schizophrenie. Er halte sich für den „vollkommensten Ritter seit dem Zweiten Weltkrieg“ und sei überzeugt davon, „aus Liebe zu seinem Volk“ gehandelt zu haben. Ein Auserwählter, der sich zum Richter über Leben und Tod aufschwingt. Einer, der vor Gericht erklärt hat, seine Opfer – darunter 69 Jugendliche, die er in einem Zeltlager der Sozialisten hinrichtete – seien Märtyrer gewesen. Von ihm zum Sterben verurteilt, um vor der Bedrohung durch den Islam zu warnen.

Keine Frage, die Worte eines perversen Sadisten. Nach Meinung der forensischen Gutachter aber eben vor allem die abstruse Gedankenwelt eines Geisteskranken. Und das schließt nach norwegischem Recht eine Gefängnisstrafe praktisch aus. Denn Breivik ist nach Auffassung der Experten nicht schuldfähig. Stattdessen könnte der Gefühlstote in eine geschlossene Psychiatrie eingewiesen werden. Mit anderen Worten: Therapie für einen Durchgeknallten statt lebenslangen Knast für einen rechtsradikalen Attentäter. Was für ein Wahnsinn!

Man stelle sich nur für einen Moment dieses Szenario vor: Breivik wird in einigen Jahren aus der geschlossenen Einrichtung entlassen, weil er als „geheilt“ gilt. Die Ärzte attestieren ihm, keine Gefahr mehr für die Gesellschaft zu sein. Ein Menschenfeind, ein erbarmungsloser Schlächter wieder auf freiem Fuß – unfassbar. Als ob der selbst ernannte Kreuzritter seine Tat nicht minutiös geplant hätte. Als ob der Mann nicht kalt berechnend gemordet hätte. Als ob der Killer nicht stolz auf seine Gewaltorgie wäre.

Schon lässt sich erahnen, wohin die juristisch-medizinische Reise gehen könnte. Von einer schweren Kindheit ist jetzt die Rede, von sexuellem Missbrauch. Entschuldigungen für einen Schuldigen – da wird Unsinn zum Irrsinn. Fehlt nur noch der Hinweis, die widrigen „gesellschaftlichen Umstände“ haben ein derartiges Monstrum geschaffen. So wird aus falsch verstandener Toleranz und abwegiger Selbstkasteiung ein ungerechtfertigter Freispruch. Abwegiger geht es kaum.

Halten wir uns lieber daran, was Anders Behring Breivik zum Gutachten über seine Persönlichkeitsstruktur sagt. Er fühlt sich nämlich geistig gesund und fit genug für den am 16. April 2012 beginnenden Prozess. Deshalb kränke ihn der Befund der Mediziner. Geisteskrank? Wahnsinnig? Mag alles richtig sein. Aber schuldig, schuldfähig ist Breivik allemal. Deshalb gehört der Extremist vor Gericht und dann ins Gefängnis. Für den Rest seines Lebens.

Kontakt

Dr. Christian Böhme
Journalist

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