Der Tagesspiegel, 25. Oktober 2015

Zeichen der Hilflosigkeit

Fast jeden Tag fallen Menschen der Messer-Intifada zum Opfer. Nun sollen Kameras auf dem Tempelberg die Lage beruhigen. Das wird kaum gelingen.

Es ist nicht mehr als ein historischer Zufall. Doch einer von großer Symbolkraft. Vor genau 20 Jahren ermordete ein Rechtsextremist Jitzchak Rabin. Und mit dem immer noch hoch angesehenen israelischen Premier wurde die wohl solideste Hoffnung auf Frieden im Nahen Osten zu Grabe getragen.

Heute ist das Abkommen von Oslo, das den Weg zur Aussöhnung zwischen Palästinensern und Israelis ebnen sollte, kaum mehr als Makulatur. Stattdessen herrschen Missgunst und Hass. Aus diesen Gefühlen wird derzeit Tag für Tag Gewalt. Die „Messer-Intifada“ hat Israel zutiefst verunsichert. Wer das Haus verlässt, muss damit rechnen, von palästinensischen Extremisten getötet zu werden. Keiner ist mehr seines Lebens sicher. Angst wird zum ständigen Begleiter.

Auch weil von arabischer Seite immer wieder und fälschlicherweise behauptet wird, die Regierung von Benjamin Netanjahu wolle den Status quo auf dem Tempelberg zu Ungunsten der Muslime verändern. Nun soll das Areal mit Felsendom und Al-Aksa-Moschee auf Vorschlag Jordaniens ständig mit Kameras überwacht werden. Dass dies die Gewalt eindämmt, ist aber zweifelhaft. Auch wenn US-Außenminister John Kerry darauf hofft.

Vielmehr spricht aus dieser Maßnahme Rat- wie Hilflosigkeit. Denn Fanatiker lassen sich nicht von Kameras aufhalten. Weder arabische noch jüdische, die immer wieder mit Besuchen auf dem Plateau provozieren. Und die tiefer liegenden Probleme, also das Ringen um eine Zwei-Staaten-Lösung, beseitigt man so auch nicht. Da braucht es einiges mehr. Zum Beispiel Kompromissbereitschaft und Mut zu unbequemen Entscheidungen. Nicht nur, aber eben auch auf palästinensischer Seite.

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Dr. Christian Böhme
Journalist

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