Der Tagesspiegel, 21. April 2016

"Putin interessiert sich sehr für Israel"

Ronald S. Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, über ein Treffen mit dem Kremlchef und den Stellenwert des Judentums in Russland

Herr Lauder, Sie haben am Dienstag mit Wladimir Putin ein längeres Gespräch geführt Welchen Eindruck hatten Sie vom Kremlchef?
Er war sehr offen, holte bewusst weit aus, um seinen jeweiligen Standpunkt zu erläutern. Wir haben über viele Themen geredet, einschließlich der Lage im Nahen Osten, die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus, Antisemitismus und die Lage der Juden in Russland. Und immer hatte ich den Eindruck, dass Putin ein aufmerksamer Zuhörer und extrem gut informiert ist. Er machte außerdem einen engagierten Eindruck – nicht nur was jüdische Belange betrifft, sondern auch, wenn es um das problematische Verhältnis zum Westen geht. Es war ein offener Meinungsaustausch. Das weiß ich zu schätzen.

Putin tritt oft als Förderer des Judentums in Erscheinung – aus Überzeugung oder politischem Kalkül?
Ich denke, er glaubt ehrlich an die Wiederbelebung des Judentums in Russland. Und Putin setzt sich dafür auch ein. Das ist keine Selbstverständlichkeit.

Inwiefern?
Unter den Kommunisten wurde die jüdische Gemeinschaft vollkommen unterdrückt. Deshalb haben viele Juden gerade in den 80er und 90er Jahren die damalige Sowjetunion verlassen und in Israel, Deutschland sowie anderen Staaten ein neues Zuhause gefunden. Heute gibt es aber zum Glück eine Renaissance des Judentums in Russland, auch in seiner orthodoxen Form. Und das Judentum wird als Religion vom Staat offiziell anerkannt. Nicht zu vergessen: Russische Juden tragen eine Menge zum kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Leben des Landes bei. Putin weiß, dass Juden in Russland ein stabilisierender Faktor sind.

Wie würden Sie Putins Verhältnis zu Israel beschreiben?
Er interessiert sich sehr für Israel. Das gilt nicht nur für die politische Situation, sondern für den jüdischen Staat in all seinen Facetten. Das ist auch nachvollziehbar. Schließlich gibt es in Israel mittlerweile eine sehr große russisch-jüdische Gemeinschaft. Und ihre Beziehung zur alten Heimat ist noch eng. Deshalb freue ich mich, dass das Verhältnis zwischen Israel und Russland sehr gut ist. Nicht zuletzt, weil der jüdische Staat mehr denn je Unterstützung braucht – vor allem im Anti-Terror-Kampf. Insofern hoffe ich, dass die Beziehungen zwischen Moskau und Jerusalem noch enger werden.

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Dr. Christian Böhme
Journalist

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