Der Tagesspiegel, 28. September 2016

"Peres personifizierte die Ethik des Kompromisses"

Nahostexperte Michael Wolffsohn über das politische Vermächtnis des verstorbenen israelischen Ex-Präsidenten Shimon Peres

Welchen Stellenwert hatte für Peres die Aussöhnung mit den Palästinensern?
Den höchsten. Dieses Werk bleibt allerdings unvollendet, weil die Gesellschaften der beiden Konfliktparteien extremer wurden. Sie denken nur von heute auf morgen. Peres dachte in geschichtlichen Zeitabschnitten. Das heißt: Zeitweilige Tiefschläge dürfen nicht die Tagesordnung bestimmen.

Gibt es mit Blick auf den Nahen Osten so etwas wie ein politisches Vermächtnis?
Ja: Wenn jede Seite nur ihr Recht sieht oder das, was sie dafür hält, sind Konflikte dauerhaft programmiert. Peres personifizierte die Ethik des Kompromisses. Jedoch: Wie fast alle in der Welt dachte er zu wenig an föderative Strukturen. Die richtige Formel heißt: Frieden durch Föderalismus

Wie groß ist Peres‘ Bedeutung für die deutsch-israelischen Beziehungen?
Nach und mit Ben-Gurion war er der Brückenbauer schlechthin. Kongenial in Deutschland waren beziehungsweise sind nur Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel.

Was hat Sie persönlich an Peres besonders beeindruckt?

Erstens war er nicht nur für einen Politiker ungewöhnlich, sprich: erfreulich gebildet. Zweitens hat Peres gezeigt, dass auch vermeintliche Dauerverlierer kämpfen und siegen sowie Menschen und Politik prägen können. Drittens dachte er über den Tag hinaus und konnte sich, viertens, mit einstigen Gegnern - sogar seinen Feinden - versöhnen.

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Dr. Christian Böhme
Journalist

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