Der Tagesspiegel, 15. Februar 2017

Auf Konfrontationskurs mit Israel

Jahia Sinwar wird der neue Hamas-Anführer im Gaza-Streifen. Er gilt als erbitterter Feind Israels. Droht nun ein neuer Krieg?

Der Mann ist ein Mörder. Er verbrachte 22 Jahre in israelischen Gefängnissen und gilt als Radikaler unter den Extremisten. Sein Hass auf den jüdischen Staat soll ebenso groß sein wie seine Rücksichtslosigkeit. Nun wird Jahia Sinwar neuer Chef der Hamas im Gazastreifen.

Der 55- Jährige tritt die Nachfolge von Ismail Hanija an – ein Führungswechsel mit klarer Botschaft. Denn die Kassambrigaden als bewaffneter Arm der Hamas halten Hanija schon seit Langem für zu weich im Kampf gegen die „Zionisten“. Mit Sinwar steht jetzt einer an der Spitze der Gaza-Herrscherclique, der die Militärabteilung der Islamisten mitgegründet hat und sich in einem „ewigen Krieg“ mit Israel wähnt. Mit dem Personalwechsel im benachbarten Küstenstreifen könnten die Zeichen also auf Konfrontation stehen. Denn auch das wird Sinwar nachgesagt: Er sei unerbittlich.

Der künftige Anführer der Hamas im Gazastreifen hat schon vor Jahrzehnten den Kampf gegen Israel zu seinem gemacht. Geboren 1962 im Flüchtlingslager Chan Junis schloss er sich als Student der Muslimbruderschaft an. Aus dem politischen Aktivisten wurde zu Beginn des ersten Palästinenseraufstands (Intifada) 1987 ein militanter Terrorist, der auf den bewaffneten Widerstand gegen die Besatzer setzte. Zwei Jahre später wurde er von einem israelischen Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt – weil er mutmaßliche palästinensische Kollaborateure getötet hatte.

Sogar von der Zelle aus soll Sinwar Morde und Entführungen von Israelis angeordnet haben. Dennoch kam er 2011 im Zuge eines Gefangenenaustauschs frei. Mehr als 1000 Palästinenser verließen die Haftanstalten. Im Gegenzug konnte der entführte Soldat Gilad Schalit zu seiner Familie zurückkehren.

Seitdem stieg Jahia Sinwar in der Hamas-Hierarchie kontinuierlich auf und hat es nun ganz nach oben geschafft. Für Israels Sicherheitsfragen lautet die Frage, ob die Zeichen auf Krieg stehen. Erst vor Kurzem ließ sich ein Minister in Jerusalem mit der Einschätzung zitieren, ein Waffengang sei nicht mehr fern.

In der Tat versuchen Extremisten in Gaza immer wieder, Israel mit Raketenangriffen zu provozieren. Auch der Bau von „Terrortunneln“ für Attacken auf Juden schreitet voran. Doch so unberechenbar der Nahe Osten auch sein mag – weder Israel noch die Hamas haben derzeit Interesse daran, die Situation eskalieren zu lassen. Selbst Jahia Sinwar dürfte wissen, dass der nächste Krieg das Ende der Hamas-Herrschaft in Gaza bedeuten könnte.

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Dr. Christian Böhme
Journalist

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