Der Tagesspiegel, 10. März 2018

Kein Aufschrei für Ost-Ghouta

Der Krieg in Syrien ist für die Bevölkerung die Hölle. Doch das Leid der Menschen zählt für die beteiligten Mächte wenig

Krieg kennt kein Erbarmen. Schon gar nicht in Syrien. Da wird völlig regellos gebombt, vertrieben und getötet. Und das schon seit vollen sieben Jahren – ohne Unterlass, ohne Aussicht auf ein Ende. Die Verlierer sind Hunderttausende Menschen dort. Sie erleiden diese Tragödie, jede und jeder für sich.

Wie jetzt gerade die Frauen, Kinder und Männer in Ost-Ghouta. Wer glaubte, in Syrien könnte es gar nicht mehr schlimmer werden, der sieht sich getäuscht. Anfang 2018 haben sich für viele Einwohner der von Gegnern des Assad-Regimes kontrollierten Region die Tore zur Hölle geöffnet.

Nun erleben sie Tag für Tag eine Apokalypse unvorstellbaren Ausmaßes. Die seit Langem Eingesperrten selbst sprechen von einem Genozid,  Völkermord, der an ihnen verübt wird. Begangen von einem Mann, der sich Präsident aller Syrer nennt.

Zum Beweis verbreiten Aktivisten verstörende Bilder von brennenden Körpern, Kindern mit Atemmasken und abgerissenen Gliedmaßen zum Beispiel auf Twitter, mit dem Hashtag #saveghouta. Doch niemand rettet Ost-Ghouta. Keiner kommt den Menschen zu Hilfe. Einen Aufschrei, aus dem etwas Konkretes folgt? Den gibt es nicht.

Trotz aller pflichtschuldigen, jedoch immer auch recht verhaltenen Betroffenheitsbekundungen, ungeachtet der vielen nachgewiesenen Kriegsverbrechen ist keiner gewillt, sich diesem Irrsinn entgegenzustellen. Niemand, der es wagte, Russland als Assads wichtigsten Verbündeten in die Pflicht zu nehmen.

Denn das liegt nicht im Interesse der Staaten. Da muss dann mal das Interesse der geschundenen Menschen hintanstehen. Wer will sich schon ernsthaft mit dem mächtigen Wladimir Putin anlegen? Wegen Syrien? Sorry, kommt nicht in Betracht.

So überlässt die sogenannte Weltgemeinschaft die 400.000 verzweifelten Bewohner Ost-Ghoutas schulterzuckend ihrem Schicksal. Die haben schon längst alle Hoffnung aufgegeben. Und sie sind enttäuscht. Gerade vom Westen, der immer wieder Werte wie Mitmenschlichkeit und Schutz für die Schutzlosen predigt, aber wenn es geboten ist, sich nicht an die eigenen Versprechen hält.

Das geht nun schon sieben schrecklich lange Jahre so. Und wenig wird sich daran ändern. Weil Menschen wenig zählen in einem Konflikt, der allein vom Kalkül der dort beteiligten Mächte bestimmt wird.

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Dr. Christian Böhme
Journalist

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