Kunst und Film, 6. April 2012

Burma, mon amour

The Lady: Regisseur Luc Besson würdigt Aung San Suu Kyis Kampf für Demokratie - ein Biopic der gelungeneren Art

Helden können ziemlich einsam sein. Denn der Kampf gegen das Böse verlangt viel von ihnen. Und von den anderen, der Familie, den Freunden. Nämlich ein Übermaß an Ausdauer und Opferbereitschaft. Dazu kommt die skrupellose Rücksichtslosigkeit gegenüber eigenen Interessen, den Wünschen, dem zutiefst menschlichen Grundbedürfnis nach Geborgenheit und Zuneigung. Es braucht zudem eine große Portion Egoismus, immer und immer wieder in die Schlacht zu ziehen – ohne Rücksicht auf Verluste, selbst in den eigenen Reihen. Viel wird von einem abverlangt, oft zu viel. Manchmal schier Unmenschliches.

Das gilt auch für Burmas Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi – zumindest in Luc Bessons recht sehenswertem Film „The Lady“. Das Biopic würdigt das Engagement der bewundernswerten Oppositionsführerin und unermüdlichen Streiterin für Demokratie. Zeigt, wie sehr sie sich ihrer Heimat und dem Vater, der einst das Land in die Unabhängigkeit führte, verpflichtet fühlt. Doch Aung San Suu Kyis (authentisch: Michelle Yeoh) politischer Kampf fordert zahlreiche Opfer. Auch ihr Mann, der in Oxford lebende Tibetologe Michael Aris (leicht theatralisch: David Thewlis) wird am Ende des Films seinen Tribut entrichtet haben. Er stirbt an Krebs, ohne die unter Hausarrest stehende Suu noch einmal gesehen zu haben. Wie man sich sein eigenes Lebensglück versagt, um einem anderen Menschen den Rücken freizuhalten, davon handelt Bessons Film in erster Linie. Dramatik und Melodramatik bestimmen die zwei Stunden, ganz große Gefühle inklusive.

Das mag man dem Regisseur zum Vorwurf machen. Und es stimmt schon: Zuweilen kommt „The Lady“ arg rührselig daher. Da wir geweint, geschluchzt, gelitten. Vor allem jedoch gehuldigt. Denn selbst der Tod ihres geliebten Ehemanns kann Aung San Suu Kyi nicht aufhalten, den brutalen Machthabern friedlich die Stirn zu bieten. Mit Blumen im Haar, versteht sich. Auch das ist „The Lady“: ein Heldenepos. Aber eben eines der etwas gelungeneren Art.

Das liegt daran, dass Besson sich nicht scheut, das ganze Ausmaß der Unterdrückung in Burma sichtbar zu machen, von einigen kitschig-folkloristischen Ausflügen einmal abgesehen. Die Militärs, die das bitterarme Land seit Jahrzehnten beherrschen, sind an Grausamkeit kaum zu übertreffen. Die noch so kleinste oppositionelle Regung wird niedergeknüppelt und niedergeschossen. Folter und Mord gehören zum Alltag. Im Gegensatz dazu setzen Aung San Suu Kyi und ihre National League for Democracy ganz im Sinne eines Mahatma Gandhis allein auf gewaltlosen Widerstand. 1991 erhält die heute 66-Jährige für ihren Einsatz den Friedensnobelpreis – ein Schlag ins Gesicht für Burmas Junta. Ihrer menschenverachtenden Logik folgend reagieren sie mit noch schärferer Repression.
Auch die Lady bekommt den Zorn der Offiziere zu spüren. Als sie sich Ende 2010 endlich wieder frei bewegen kann, liegen 15 Jahre Hausarrest hinter ihr. Doch Aung San Suu Kyis Willen ist ungebrochen. Anfang April 2012, inzwischen haben die Militärs zaghafte Schritte in Richtung Demokratie gemacht, gelang es ihr, als Kandidatin mit einem überragenden Wahlergebnis ins Parlament einzuziehen. Die einstige Staatsfeindin schickt sich an, Burmas Elend zu beenden.

Auch am Schluss von Luc Bessons Film steht ein kleiner Triumph. Hunderte Mönche haben sich 2007 vor dem Haus von Aung San Suu Kyi versammelt. Lauthals rufen sie ihren Namen, lassen sich von den Soldaten nicht beeindrucken. Und dann kommt die Frau, auf der alle Hoffnungen ruhen. Sie besteigt eine Leiter, um über das verbarrikadierte Eingangstor schauen zu können und winkt ihren Anhängern lächelnd zu. Eine strahlende Heldin, sicherlich. Doch das ändert nichts daran, dass es um sie herum auch ein wenig einsam geworden ist. Der Kampf gegen das Böse, er fordert seinen Tribut.

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Dr. Christian Böhme
Journalist

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