Jungle World, 20. Dezember 2012

Rettet euch selbst!

Böhmische Dörfer (16): Warum der Staat die Not der gedruckten Zeitungen nicht lindern kann und darf

Es war einmal eine wunderbare Zeit, in der gedruckte Zeitungen als etwas Wertvolles galten. Viele Menschen nahmen sie zur Hand, um sich zunächst zu informieren und danach womöglich eine Meinung zu bilden. Schlaue Sache, so ein Bildungsangebot für alle. Jahrzehntelang lebten alle glücklich und zufrieden, Zeitungsmacher wie Zeitungsleser. Man mochte sich, schätzte einander. Es hätte ewig so harmonisch weitergehen können.

Doch dann tauchte gewissermaßen über Nacht, also scheinbar aus dem Nichts etwas Übermächtiges auf und lehrte dem Gedruckten das Fürchten: ein Datenmoloch namens Internet. Der war zwar nicht per se böse, aber als digitales Medium einfach unfassbar schnell. Mehr noch, das Internet kannte keine Grenzen, mit jedem Nutzer wuchs sein Wissen. So dauerte es nur eine kleine Weile, bis die Unterlegenheit des Analogen augenfällig wurde. Doch da war es bereits zu spät. Einst bekannte und beliebte Produkte wie die Frankfurter Rundschau oder die Financial Times Deutschland verschwanden vom Markt. Aus. Schluss. Vorbei.

So wird die Geschichte vom Untergang des Zeitungswesens gerne erzählt – von der Printbranche. Dazu gehört auch, dass bei Bekanntwerden der beiden prominenten Todesfälle lauthals nach dem Staat gerufen wurde. Dieser solle, bitte schön, umgehend daran gehen, derartige Verluste künftig zu verhindern. Am Besten mithilfe von viel Geld, das man darbenden Zeitungen zur Verfügung stellt, um ihr Überleben zu sichern. Selbstverständlich soll dennoch die Unabhängigkeit der Berichterstattung garantiert bleiben.

Das klingt wie im Märchen – zu schön, um wahr sein zu können. Es ist nämlich eine Mär, dass staatliche Zuwendungen, zum Beispiel in Form von großzügigen Subventionen, die Misere beheben könnten. Zum einen ist der Schlamassel selbst verschuldet. Die Verlage haben das Internet als Konkurrenz anfangs mitleidig, ja überheblich belächelt. Als man endlich erkannte, was auf einen zukommt, mangelte es an Ideen, auf die Herausforderung zu reagieren. Eine Online-Redaktion allein reicht eben keineswegs aus. Es braucht in Zeiten des Kapitalismus Geschäftsmodelle, die auf kluge (und kommerziell erfolgreiche) Art und Weise, Analoges mit Digitalem verbinden. Geld vom Staat ist allerdings der Kreativität eher abträglich und führt zu gedanklicher Trägheit. Es bliebe nur eine Gnadenfrist, mehr nicht.

Zum anderen birgt eine Rettungsaktion durch die öffentliche Hand die große Gefahr in sich, dass mithilfe des Geldes politische Landschaftspflege betrieben werden könnte. Wer etwas gibt, tut dies nur selten selbstlos. Er erwartet vielmehr eine Gegenleistung, in welcher Form auch immer. Deshalb sollte der Staat außen vor bleiben. Gedruckte Zeitungen müssen aus eigener Kraft überleben. Denn nur wer sich selbst achtet, wird beachtet.

Kontakt

Dr. Christian Böhme
Journalist

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