Jungle World, 1. März 2013

Macht ist Wissen

Böhmische Dörfer (19): Warum ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts die Pressefreiheit einschränkt

Platz 17. Auf einer weltweiten Rangliste der Pressefreiheit. Dort hat das Netzwerk „Reporter ohne Grenzen“ Deutschland eingeordnet. Nicht unter den Top Ten – dort stehen zum Beispiel Finnland, Norwegen und Luxemburg –, aber immerhin recht weit vorne, wenn man bedenkt, dass die Situation in 179 Ländern untersucht wurde. Und wir haben Costa Rica wie Namibia hinter uns gelassen! Okay, dafür rangieren Jamaika, Andorra oder Neuseeland deutlich vor uns. Ein Ruhmesblatt ist die Platzierung also nicht. Deutschland wurde im Vergleich zu 2011 sogar um einen Platz zurückgestuft – vor allem, weil die hiesige Presselandschaft zunehmend ihre Vielfalt einbüßt. Und weil es PR-Agenturen und Wirtschaftsunternehmen immer häufiger gelingt, ihre Inhalte in den Medien zu platzieren.

So weit, so schlecht, so beunruhigend. Doch womöglich wird es Deutschland beim nächsten Ranking der Pressefreiheit nicht einmal mehr unter die Top Twenty schaffen. Denn das monieren die Reporter ohne Grenzen ebenfalls: Journalisten gelangen nur mit großen Mühen an Behördeninformationen. Anfragen würden oft nur im Schneckentempo und zuweilen sogar gegen hohe Gebühren beantwortet. So kann man das Auskunftsrecht auch aushöhlen. Und vermutlich wird davon bald ohnehin nur noch wenig übrig bleiben – mit Segen des Bundesverwaltungsgerichts. Die Richter haben vergangene Woche nämlich ein Urteil verkündet, das Willkür in Ämtern und Ministerien Tür und Tor öffnet. Weil Recherchen vom Wohlwollen der Behörden abhängig gemacht werden. Herrschaftswissen kann so unter Verschluss bleiben. Es lebe die Obrigkeit!

Dabei stärkt das Urteil auf den ersten Blick die Rechte der Presse. Denn wer Auskunft einfordert, kann sich nun auf Artikel 5 des Grundgesetzes berufen, wo es unter anderem heißt, dass man sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert informieren kann. Doch der schöne Schein trügt. Denn das Gericht hat gleichfalls dekretiert, Landespressegesetze seien auf Bundesbehörden und -ministerien nicht anwendbar. Es gibt also keine auf Paragrafen gründende Handhabe, etwas einzufordern. Schlimmer noch. Die Richter entschieden, dass Auskünfte nur erteilt werden müssen, wenn die entsprechenden Informationen aktuell vorliegen. Sollte es aber irgendwie „aufwendig“ sein, diese zusammenzutragen, können die Behörden genervt ausrufen: Sorry, nicht zu schaffen. Der Journalist steht dann dumm da. Und die Öffentlichkeit mit ihm. Nun ist das zwar alles noch kein Gau für Demokratie und Freiheit. Von somalischen, nordkoreanischen und malischen Verhältnissen sind wird meilenweit entfernt. Doch ein Stück weit wird die Kontrolle der Regierenden erschwert. Und das heißt: Selbst der 17. Platz beim Ranking der Pressefreiheit ist in Gefahr. Costa Rica und Namibia wird’s freuen.

Kontakt

Dr. Christian Böhme
Journalist

Telefon: +49(0)176.32 73 83 34

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