Der Tagesspiegel, 23. Juli 2013

Allzu zaghaft

Die EU setzt die Hisbollah auf ihre Terrorliste. Ein Schritt in die richtige Richtung. Doch einer, der halbherzig daherkommt

Papiertiger, Gernegroß, Aufschneider: Über die Europäische Union wird gerne geschimpft. Und die Vorbehalte kommen nicht von ungefähr. Gerade, wenn es um eine gemeinsame Außenpolitik geht. Eine einheitliche Linie verfolgen, mit einer Stimme sprechen, Gemeinsamkeit demonstrieren – allzu oft ist die EU von demonstrativer Geschlossenheit meilenweit entfernt. In der Regel pflegt nämlich jedes Mitglied, sein eigenes Süppchen zu kochen. Soll man zum Beispiel Waffen an die Aufständischen in Syrien liefern oder belässt man es lieber bei wortreichen wie folgenlosen Solidaritätsadressen? Inzwischen beantwortet jedes Mitgliedsland diese Frage, wie es ihm in den politischen Kram passt. Insofern ist es etwas Besonderes, dass sich die 27 Staaten jetzt dazu durchgerungen haben, die Hisbollah auf die Terrorliste der EU zu setzen. Glückwunsch, endlich mal ein Signal!

Denn es steht außer Frage, dass die Schiitenmiliz eine militante Extremistengruppe ist. Die radikalen Islamisten –  von den Mullahs in Teheran mit Waffen und Ideologie ausreichend versorgt – sind für zahlreiche blutige Anschläge in aller Welt verantwortlich. Sie treibt zwar in erster Linie der Hass auf Israel an. Aber der mörderische Antizionismus der Hisbollah betrifft und trifft auch Menschen, die weder Israelis noch Juden sind. Selbst mit rosaroter Brille vor den Augen kann man den  terroristischen Charakter der „Partei Gottes“ kaum übersehen. Hinzu kommt, dass ihr viel daran gelegen ist, den Nahen Osten zu destabilisieren. Dass die Fundamentalisten im syrischen Bürgerkrieg nach Kräften Machthaber Assad unterstützen, spricht für sich.

Da hilft auch kein wohlfeiler Hinweis darauf, dass die Hisbollah im Libanon mit in der Regierung sitzt und im Land einige wohltätige Einrichtungen unterhält. Dem Selbstverständnis nach gehören die Kämpfer nämlich einer zentral gelenkten, in sich geschlossenen Organisation an. Folglich führt es völlig in die Irre, dass künftig allein deren „militärischer Arm“ auf der Terrorliste zu finden sein wird. „Zivil“ oder „militant“ – keinem Hisbollah-Mitglied käme es je in den Sinn, dazwischen zu unterscheiden. Insofern wirkt die Entscheidung der EU zumindest etwas halbherzig.

Muss Europa nun dennoch den Terror der Hisbollah fürchten? Nicht mehr oder weniger als in den vergangenen Jahren. Ohnehin nutzt die Schiitenmiliz gerade Deutschland schon lange als „Ruheraum“. Zum Beispiel werden hier über Vereine oder Moscheen Spenden eingesammelt, um den bewaffneten Kampf zu finanzieren. Und wenn nötig, gibt es dafür im Gegenzug ideologische Schulungen. Die Sicherheitsbehörden haben jetzt dank der Aufnahme der Hisbollah auf die Terrorliste mehr Möglichkeiten gegen derartige Aktivitäten vorzugehen. So könnte hierzulande zwar die Handlungsfähigkeit der Islamisten eingeschränkt werden – mehr aber sicherlich nicht. Wird damit das Engagement der EU geschmälert? Diese Schlussfolgerung wäre etwas ungerecht. Denn die Europäer haben am Montag ein Zeichen der Geschlossenheit gesetzt. Immerhin.

Kontakt

Dr. Christian Böhme
Journalist

Telefon: +49(0)176.32 73 83 34

kontakt@christianboehme.info