Jungle World, 19. September 2013

Tausend Dank, Peer!

Böhmische Dörfer (29): Warum es Zeit wird, als Journalist SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück für seinen Einsatz zu loben

Es ist an der Zeit, Peer Steinbrück endlich zu danken. Weniger als Wahlbürger denn als Journalist. Denn was wären wir Medienvertreter in den vergangenen Monaten ohne den SPD-Kanzlerkandidaten gewesen? Nichts, arbeitslos. Allein der Merkel-Herausforderer hat uns mit Berichtenswertem versorgt. Zumindest im bescheidenen Rahmen. Mal war es ein unbedachtes Wort über die Verwendung eigener Rednerhonorare. Spenden oder nicht spenden? So lautete vor einigen Monaten die 25 000-Euro-Preisfrage. Mal gab es von ihm die klare Ansage, das Gehalt eines deutschen Bundeskanzlers sei unzumutbar niedrig. Woraufhin ihm Genosse Gerhard Schröder – selbst einige Zeit auf das Salär eines Kanzlers angewiesen – ausrichten ließ, er sei damit immer gut über die Runden gekommen.

Ja, irgendwie hatte man während des ganzen Wahlkampfs den Mitleid erregenden Eindruck, der Herausforderer lasse einfach keinen Fettnapf aus. Selbst wenn es mal ausnahmsweise recht gut lief, war garantiert ein übereifriges Mitglied des Intrigantenstadls namens SPD zur Stelle, das dem eigenen Mann in die Parade fuhr. Es gab also einiges zu vermelden und vor allem zu bemeinen. Danke, Herr Steinbrück! Ohne Sie hätten wir uns monatelang gelangweilt.

Denn dieser Wahlkampf war seinen Namen nicht wert. Woran Angela Merkel schuld ist. Sie hat es wieder mal geschafft, mit ihrer unnachahmlichen Art der Beschwichtigung jeden Konflikt unter einem Berg watteweicher Sowohl-als-auch-Ausflüchte zu begraben. Da kann doch keine Wechselstimmung aufkommen, oder? Sogar aus der skandalösen Kombination von KZ-Gedenkstättenbesuch und Bierzeltauftritt konnte keiner ihrer Gegner so richtig politisches Kapital schlagen.

Ähnliches gilt für uns Journalisten. Keinem gelang es, der Kanzlerin Missmanagement nachzuweisen. Niemand konnte sie in die Bredouille bringen. Dabei bot gerade das TV-Duell die einmalige Gelegenheit, der Dame vor einem Millionenpublikum auf den Zahn zu fühlen. Aber was passierte? Null. Nada. Niente. Anderthalb Stunden Worthülsen-Blabla ohne angriffslustiges Nachbohren von Seiten der Moderatoren. Wäre nicht Stefan Raab gewesen, der wenigstens ansatzweise auf die Kavallerie setzte, statt den Kavalier zu geben – der ermattete Zuschauer hätte rasch das Programm gewechselt.

Dass man doch vor dem Fernseher ausharrte, war zum Teil auch Steinbrücks Verdienst. Der hatte einen seiner besseren Tage erwischt und lauerte darauf, der Kanzlerin eins auszuwischen. Das gelang ihm zwar nicht, wie so oft davor und danach. Aber er hat es immerhin versucht. Danke, Herr Steinbrück! Übrigens: Das mit dem Stinkefinger-Bild im SZ-Magazin war ein richtiger Knaller. Pannen-Peer, Problem-Peer, Peerlusconi? Ach was, einfach nur Peer. Reicht völlig.

Kontakt

Dr. Christian Böhme
Journalist

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