Der Tagesspiegel, 27. Dezember 2013

Neue Zeiten nach Genf

Israel ist im Atomkonflikt mit dem Iran international isoliert. Da bleibt nur ein Ausweg: Premier Netanjahu muss auf US-Präsident Obama zugehen

Der Spitzname ist nicht gerade schmeichelhaft. Aber er beschreibt Benjamin Netanjahus zuweilen aufbrausendes Wesen wohl recht gut: Bum-Bum-Bibi. Wenn Israels Premier verärgert oder enttäuscht ist, dann haut er gerne so richtig auf die Pauke. Vor allem wenn es um eine mögliche atomare Bedrohung durch den Iran geht. Dann warnt der konservative Likud-Politiker schon mal drastisch vor einem „neuen Holocaust“. Denn der Regierungschef ist fest davon überzeugt: Von den Mullahs in Teheran geht eine existenzielle Gefahr für den jüdischen Staat aus.

Und es vergeht kaum ein Tag, an dem Netanjahu sich nicht bestätigt fühlt. Erst vor kurzem soll Revolutionsführer Ali Chamenei vor Milizionären zu Protokoll gegeben haben, er halte Israel für einen „tollwütigen Hund“, das „zionistische Regime“ sei zum „Scheitern und zur Vernichtung verurteilt“. Echte Friedenssehnsucht klingt anders.

Auch das Genfer Abkommen ist nicht gerade dazu angetan, Netanjahus Nervenkostüm – und das vieler Israelis – zu stabilisieren. Die Sanktionen, bisher sehr wohl ein erfolgreiches Druckmittel des Westens, werden spürbar gelockert. Gleichzeitig akzeptiert der Iran zwar ein befristetes Einfrieren seines Atomprogramms inklusive internationaler Kontrollen. Seine nuklearen Ambitionen werden allerdings grundsätzlich nicht infrage gestellt. Es ist somit auch nach Genf keineswegs ausgeschlossen, dass Teheran in absehbarer Zeit über Atomwaffen verfügt. Nicht zu vergessen: Bisher ist die gefeierte Übereinkunft nur ein mehrseitiges Papier. Teheran hat in der Vergangenheit schon viel versprochen, nur blieb es stets folgenlos. So kann kein Vertrauen entstehen.

Trotzdem ist es nun einsamer um Israel geworden. Fast alle berauschen sich an der Übereinkunft, nur die Regierung in Jerusalem lehnt sie kategorisch ab. Diese Haltung mag noch so begründet sein – das Poltern hat nichts gebracht, sondern die Isolation verstärkt. Aber aus der Schmollecke heraus lässt sich keine erfolgreiche Politik machen. Vor allem nicht, wenn man bei einer dauerhaften Vereinbarung über Irans Atomprogramm ein gewichtiges Wort mitreden möchte.

Das ist den moderaten Kräften in Jerusalem bewusst. Es mehren sich die Stimmen, die Netanjahu ermuntern, konstruktiv nach vorne zu schauen und Verbündete zu suchen. Gemeint ist damit in erster Linie Amerika, Israels historischer Partner. Gleichzeitig wird das Undenkbare gedacht: zum Beispiel ein Bündnis mit sunnitischen Staaten, die wie Israel eine Atommacht Iran als Bedrohung empfinden. Dass sich arabische Führer auf ein gemeinsames Vorgehen mit den „Zionisten“ einlassen könnten, ist jedoch mehr als zweifelhaft.

Also muss Jerusalem auf eine Allianz mit Washington setzen. Allein die USA sind in der Lage, Israels Interessen nachdrücklich zu vertreten. Aber ist Barack Obama willens? Oder genügt dem Präsidenten das bisher Erreichte? Vielleicht. Zumal ihn mit Netanjahu kaum mehr als gegenseitige Abneigung verbindet. Gleichwohl ist es mit Blick auf das Kräfteverhältnis an Netanjahu, auf Obama zuzugehen. Schließlich geht es darum, die Bombe zu verhindern. Oder zumindest in Frieden mit ihr zu leben.

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Dr. Christian Böhme
Journalist

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