Jungle World, 27. Februar 2014

Die 19-Milliarden-Dollar-Frage

Böhmische Dörfer (36): Warum der Kauf von WhatsApp sich für Facebook womöglich nicht auszahlen wird

Das Erfolgsrezept von WhatsApp passt auf einen kleinen Zettel. Und der klebt, so will es die Legende, an Jan Koums Schreibtisch. Auf dem Papier ist zu lesen: Keine Werbung! Keine Spiele! Keine Gimmicks! Mit diesem simplen Dreiklang hat es der einst mittellose Start-up-Gründer aus der Ukraine geschafft, seinen SMS-Ersatz in Amerika zu vergolden: Für sagenhafte 19 Milliarden Dollar kauft Facebook eines der weltweit erfolgreichsten Kommunikationswerkzeuge. Zum Vergleich: Jeff Bezos, Gründer des Internetkaufhauses Amazon, hatte vor einigen Monaten die altehrwürdige Washington Post zum Schnäppchenpreis von 250 Millionen Dollar übernommen. Als Freund des Gedruckten kann einem angesichts dieser Relationen schon etwas wehmütig ums Herz werden. Eine Informationsquelle auf Papier hat offenkundig keinen Wert mehr. Nur Digitales ist Bares, also Wahres. Eine bittere Erkenntnis für alle Nostalgiker.

Doch der Blick in die Vergangenheit zählt für einen wie Mark Zuckerberg selbstredend überhaupt nicht. Den Facebook-Gründer interessiert allein die Frage, wie er sein soziales Netzwerk noch erfolgreicher machen kann. Und sein jüngster Milliarden-Deal passt da auf den ersten Blick gut ins Konzept. Zum einen, weil sich Facebook auf einen Schlag den Zugang zu 450 Millionen aktiven WhatsApp-Nutzern sichert – und deren Milliarden Kontaktdaten. Mit denen lässt sich viel Geld machen. Zum anderen nutzen gerade junge Menschen den Messaging-Dienst, um Nachrichten und vor allem Bilder zu verschicken. Auch das klingt perspektivisch nach einem guten Geschäft.

Nur: Das Ganze könnte sich für Facebook schon bald als gigantische Fehlinvestition erweisen. WhatsApp spiegelt zum Beispiel den Trend zu direkter und persönlicher Kommunikation wider. Facebook dagegen ist eine Art Allerweltsplattform, auf der quasi alles zu Markte getragen wird. Können zwei so grundlegend unterschiedliche Konzepte kompatibel gemacht werden?

Experten sind da skeptisch. Viele Nutzer von WhatsApp halten von diesem Versuch ohnehin herzlich wenig. Ihre Form des Protests: Sie wechseln zu anderen Kommunikationsanbietern. Weil man als Nutzer von WhatsApp einfach nicht mit Facebook vernetzt werden will. Frei nach dem Motto “Wir kommunizieren gerne, aber ohne Herrn Zuckerberg. Der weiß ohnehin schon zu viel über uns.”

In der Tat wird Facebook mithilfe von WhatsApp vermutlich der größte Datenstaubsauger der Welt. Doch was mit diesen Informationen passiert, wer alles darauf Zugriff bekommt, bleibt ein Geheimnis. Sicher ist allein: Der Internetnutzer hat keine Privatsphäre mehr. Wer darauf wirklich wert legt, muss wohl wieder lernen, traditionelle Formen der Kommunikation zu nutzen. Wie wäre es mal wieder mit einem persönlichen Gespräch von Angesicht zu Angesicht? Wie früher.

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Dr. Christian Böhme
Journalist

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