Der Tagesspiegel, 4. März 2014

Chefsache Naher Osten

Warum US-Präsident Barack Obama ein letztes Mal persönlich versucht, zwischen Israelis und Palästinensern zu vermitteln

Wenn es mal so richtig brenzlig wird, weil Wichtiges zu scheitern droht, muss der Chef selbst ran. Die Lösung des Nahostkonflikts ist aus Sicht der USA zweifellos solch ein bedeutsames Projekt. Und da es bei den Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern nicht recht voranzugehen scheint, schaltet sich Barack Obama jetzt persönlich ein. Am Montag redete der US-Präsident Israels Premier Benjamin Netanjahu ins Gewissen, in zwei Wochen muss Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Washington zum Rapport antreten.

Der US-Präsident wirft damit sein Prestige als immer noch mächtiger Staatsmann in die Waagschale, also nichts Geringeres als sein ganzes politisches Gewicht. Gute Sache, oder? Immerhin meint es der Mann offenbar ernst und macht daher Ernst. Nur: Der US-Präsident geht ein großes Risiko ein. Weil sein jüngstes Engagement in dieser vermaledeiten Nahost-Angelegenheit ohne greifbaren Erfolg bleiben könnte. Schließlich zeigen sich Palästinenser wie Israelis hartleibig, pochen unnachgiebig auf altbekannte Positionen. Bliebe es bei dieser Haltung der beiden Konfliktparteien, der Friedensnobelpreisträger – dem ohnehin außenpolitisch bislang kaum Bleibendes gelungen ist – wäre ein weiteres Mal auf der öffentlichen Bühne der Diplomatie düpiert.

Vor allem Netanjahu lässt keine Gelegenheit aus, Obama das Leben schwer zu machen. Das fängt schon beim Persönlichen an. Beide halten voneinander herzlich wenig und lassen das gerne den anderen spüren. Für Israels Regierungschef ist Obama ein Weichei, das zum Beispiel Baschar al Assads Syrien erst vollmundig rote Linien aufzeigt, um diese dann wortreich zu umkurven. „Bibi“ sieht darin eine Schwäche, die mit Blick auf Teherans Atomprogramm fatale Folgen für den jüdischen Staat haben könnte. Daher hätte es Netanjahu viel lieber gesehen, wenn der Iran im Mittelpunkt der Gespräche gestanden hätte.

Darauf konnte und wollte Obama sich nicht einlassen. Aus seiner Sicht laufen die Verhandlungen mit den Mullahs recht gut. Warum da auf die Pauke hauen? Viel dringlicher erscheint ihm eine wie auch immer geartete Einigung zwischen Israelis und Palästinensern. Und sei es, dass wenigstens eine tragfähige Basis für weitere Gespräche gefunden wird. Aber ist das mit dem sturköpfigen Netanjahu denkbar, der trotz aller Ermahnungen keineswegs gewillt ist, von der völkerrechtswidrigen „aggressiven“ Siedlungspolitik Abstand zu nehmen? Obama hat da erhebliche Zweifel.

Und die Zeit drängt. In zwei Monaten läuft die Frist für die Friedensgespräche ab. Und vermutlich auch für eine Übereinkunft mit dem als moderat geltenden Abbas. Der Palästinenserpräsident hat bereits angekündigt, ohne substanzielle Ergebnisse werde es keine weiteren Gespräche geben. Und dann? Keiner weiß, wer mal auf Abbas folgen wird. Vieles spricht für einen Hardliner aus der jüngeren Generation, der von Verhandlungen mit den Besatzern nichts hält.

Für die Palästinenser wäre das schlimm, für Israel noch schlimmer. Denn dem Land droht bei einem Scheitern der Gespräche die komplette Isolation. Auch Amerika würde wohl die Unterstützung auf ein Minimum reduzieren. Doch bei diesem Gedanken ist selbst Obama nicht ganz wohl. Deshalb macht er den Nahen Osten ein letztes Mal zur Chefsache. Damit ihm keiner vorwerfen kann, es nicht versucht zu haben.

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Dr. Christian Böhme
Journalist

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