Der Tagesspiegel, 28. August 2014

Kraftprobe am Verhandlungstisch

50 Tage lang herrschte Krieg zwischen der Hamas und Israel. Nun gibt es eine Waffenruhe. Doch die Diplomatie wird es schwer haben

Die Waffen schweigen – endlich. 50 Tage lang hatten sich die Hamas und Israels Armee fast pausenlos Gefechte geliefert. Mehr als 2000 Palästinenser starben. Aufseiten des jüdischen Staats gab es weitaus weniger Opfer. Das aber ist nicht der Rücksichtnahme der Islamisten geschuldet – die schossen ohne Unterlass Raketen in Richtung Erzfeind –, sondern der Effektivität des Abwehrsystems „Eiserne Kuppel“. Nun scheint die Zeit des Kampfes erst einmal vorbei zu sein. Ein Segen für die Menschen auf beiden Seiten.

Doch vor ein bisschen Frieden steht die extrem schwierige Zeit des Verhandelns. Und noch ist keinesfalls ausgemacht, dass die Gespräche erfolgreich enden. Zu unterschiedlich sind die Vorstellungen, wie Gazas Zukunft aussehen sollte.

Für die Hamas, die den Sieg über die „Zionisten“ für sich reklamiert, steht fest: Wir werden im Küstenstreifen weiterhin das Sagen haben. Der kann ruhig mit Geld der Staatengemeinschaft wieder aufgebaut werden. Doch hineinreden lassen wir uns dabei keinesfalls – schon gar nicht von den Israelis.

Dies wiederum ist für die Regierung in Jerusalem inakzeptabel. Schließlich geht es darum, der eigenen Bevölkerung glaubhaft zu vermitteln, dass der Krieg gegen die Islamisten nicht völlig vergeblich war. Vordringlichste Aufgabe für Benjamin Netanjahu ist es deshalb, eine erneute Aufrüstung der Hamas zu verhindern.

Nur wie? Die Antwort lautet: Der Gazastreifen muss demilitarisiert werden. Das wäre ein vernünftige Lösung. Die Sache hat allerdings einen riesigen Haken: Die militanten Kräfte werden einen Teufel tun und ihre Waffen abgeben. Sie sind der Überzeugung, dass der Kampf gegen den Feind noch lange nicht vorbei ist.

Warum auch? Schließlich hat die militärische Großmacht Israel es nicht vermocht, die Hamas in die Knie zu zwingen. Eine Lesart, die viele in Jerusalem wohl zu Recht teilen. Weil sich im Prinzip an der verfahrenen Lage selbst nach 50 Tagen Krieg wenig geändert hat.

Gerade die Menschen im Süden des Landes werden sich immer noch von der Hamas bedroht fühlen – eine Stimmung, von der Nationalisten profitieren dürften. Auch das wird die Gespräche über Gaza belasten. Hauptsache, es bleibt bei einer diplomatischen Kraftprobe.

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Dr. Christian Böhme
Journalist

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