Jungle World, 12. Februar 2015

Bilder wie Waffen

Böhmische Dörfer (51): Warum die Medien der Propaganda des "Islamischen Staats" nicht auf den Leim gehen darf

Bilder sind Waffen. Sie verbreiten in sekundenschnelle Angst und Schrecken, können schockieren und demoralisieren. Und sind damit oft effektiver als eine Kalaschnikow oder ein Raketenwerfer. Zumindest wenn man sie im Propaganda-Krieg einsetzt. Genau das tut der “Islamische Staat”, seit die Terrormiliz sich aufgemacht hat, den “Ungläubigen” weltweit das Fürchten zu lehren.

Quasi in Echtzeit machen die Dschihadisten deutlich, dass ihnen ein Menschenleben nichts wert ist. Sie enthaupten ihre Geiseln vor laufender Kamera und verbreiten sowohl die Demütigung als auch das Leid der Opfer in Internetvideos. Seht her, das widerfährt allen, die sich uns in den Weg stellen – welch monströse Botschaft.

Doch beim Köpfen wollen es die blutrünstigen Henker offenkundig nicht mehr belassen. Vor kurzem verbrannten sie eine jordanische Geisel bei lebendigem Leib. Mit unfassbarer Bösartigkeit inszenierte Bilder zeigen den Todeskampf des Piloten Muaz al Kasaesbeh – eingesperrt in einem Käfig. Vier Minuten dauern seine Qualen.

Sollen Medien über diese Hinrichtungen berichten? Die Filme zeigen, die von der Grausamkeit der Extremisten zeugen? Der amerikanische Fernsehsender Fox News hat es getan. “Warnung, extrem drastisches Video” lautete die Überschrift, mit der die Zuschauer auf Muaz al Kasaesbehs furchtbares Ende vorbereitet wurden.

Die Begründung lautete: Wir wollen dem Betrachter die Möglichkeit geben, sich selbst ein Bild von der Barbarei des “Islamischen Staats” zu machen. Ein Angebot also. Aber eines, das auf wenig Verständnis stieß. Die meisten Nutzer beschwerten sich bei der TV-Station, machten via Facebook und Twitter ihrem Unmut über den “beschämenden” Vorgang Luft.

Aber ist Fox News ein Vorwurf zu machen? Der Sender hat nur das gemacht, was seine Aufgabe ist: berichten. Man muss doch dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit Rechnung tragen, oder? Sicherlich, dafür sind Medien da. Aber eben nicht, um die Propaganda der mitleidslosen Schlächter weiter zu verbreiten.

Es hat keinen Erkenntnisgewinn, die Erniedrigung der Ermordeten, ihre Qualen zu dokumentieren. Wer sie im Käfig oder mit einem Sack über dem Kopf vor dem Henker kniend zeigt, führt die Geiseln noch einmal vor. Und das völlig überflüssigerweise. Wir müssen das Grauenvolle nicht sehen, um es zu begreifen. Auch ohne Videos kann man auf das Töten mit Abscheu reagieren, es möglichst lauthals verdammen.

Nein, wir sollten uns keinesfalls zu Gehilfen der Mörder machen, indem derart brutale Botschaften über seriöse Kanäle verbreitet werden. Wir dürfen uns nicht von den selbst ernannten “Gotteskriegern” instrumentalisieren lassen. Anderenfalls ginge ihr Kalkül auf, mithilfe der Medien überall Furcht zu säen. Dies gilt es vielmehr zu verhindern. Das sind wir den Opfern schuldig. Um ihrer Würde willen.

Kontakt

Dr. Christian Böhme
Journalist

Telefon: +49(0)176.32 73 83 34

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