Der Tagesspiegel, 16. März 2015

"Herzog würde nicht auf Konfrontation setzen"

Shimon Stein über die unterschiedlichen Positionen von Israels Opppositionsführer und Premier Netanjahu zum Nahostkonflikt, den Siedlungsbau und Irans Atomprogramm.

Herr Stein, um des Friedens im Nahen Osten willen: Wer sollte die Wahl gewinnen?
Was für eine Frage! Realistisch betrachtet sind die Aussichten auf ein Abkommen mit den Palästinensern derzeit grundsätzlich schlecht. Und sollte Benjamin Netanjahu wieder Regierungschef werden, wird es sehr schwierig sein, überhaupt wieder die Verhandlungen aufzunehmen. Wenn seine Herausforderer Izchak Herzog und Zipi Livni das Rennen machen, dann werden sie zumindest ausloten, was möglich ist. Aber großen Illusionen sollte man sich nicht hingeben.

Wäre eine Mitte-Links-Regierung denn kompromissbereiter?
Grundsätzlich ja. Herzog wird versuchen, die vor anderthalb Jahren abgebrochenen Kontakte zu Palästinenserpräsident Mahmud Abbas wieder aufzunehmen. Allein um zu sehen, ob es überhaupt eine Grundlage für Gespräche gibt. Das hängt allerdings nicht zuletzt von der palästinensischen Seite ab. Bei positiven Signalen aus Jerusalem könnte ich mir jedoch vorstellen, dass Abbas sogar vorerst seine Bestrebungen einstellt, eine Staatlichkeit über internationale Gremien zu erreichen.

Was könnten die Wahlen für den umstrittenen Siedlungsbau bedeuten?
Unter einem Premier Netanjahu würde die bisherige Politik des Wohnungsbaus sicherlich fortgesetzt werden. Zumal, wenn er sich auf eine rechtsgerichtete Koalition stützen muss. Ein Stopp des Siedlungsbaus wäre also sehr unwahrscheinlich. Bei Herzog sieht die Sache anders aus.

Inwiefern?
Der Chef der Arbeitspartei hat angekündigt, er werde den Bau neuer Wohnungen außerhalb der großen Siedlungsblöcke stoppen. Herzogs Haltung in dieser Frage unterscheidet sich also deutlich von Netanjahus Position.

Könnten liberale Politiker wie Zipi Livni und Izchak Herzog das beschädigte Verhältnis zu den USA wieder reparieren?
Ich gehe davon aus, dass ein Premier namens Herzog sich darum bemühen würde, die diplomatischen Wogen wieder zu glätten. Die Verstimmungen zwischen Washington und Jerusalem haben ja viel mit den persönlichen Animositäten zwischen Netanjahu und US-Präsident Barack Obama zu tun. Denn generell ist die Zusammenarbeit beider Länder auf vielen Feldern weiterhin sehr gut.

Würde eine neue israelische Führung einen anderen Kurs gegenüber Teheran und seinem Atomprogramm einschlagen?
Nein. Aber vermutlich würde Herzog anders als Netanjahu nicht auf Konfrontation und Provokation setzen. Gleichwohl dürfte auch Herzog alles daran setzen, dass in einem Abkommen mit Teheran auch Israels Interessen ausreichend Berücksichtigung finden. Dazu gehört unter anderem: der Menge sowie die Qualität des angereicherten Urans, die Laufzeit des Abkommens, die Kontrollen und Strafmaßnahmen, die im Falle einer Verletzung der Übereinkunft automatisch in Kraft treten.

Die Unterschiede zu Netanjahu scheinen eher gering, oder?
Inhaltlich stimmt das. Auch Herzog bereitet Teherans atomare Ambitionen große Sorgen. Aber seine Rhetorik wird eine gänzlich andere sein."Herzog würde nicht auf Konfrontation setzen"

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Dr. Christian Böhme
Journalist

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