Der Tagesspiegel, 4. Oktober 2018

Was das deutsch-israelische Verhältnis zukunftsfähig machen würde

Merkel gilt als Israels Fürsprecherin. Doch was kommt nach ihr? Beide Länder müssen ihre Beziehungen auf die nächste Ebene heben.
Was das deutsch-israelische Verhältnis zukunftsfähig machen würde
Merkel gilt als Israels Fürsprecherin. Doch was kommt nach ihr? Beide Länder müssen ihre Beziehungen auf die nächste Ebene heben. Ein Kommentar.


Angela Merkel ist für Israel ein Glücksfall. Zu Recht gilt die Kanzlerin als eine echte Freundin des jüdischen Staats und des Judentums. Eine, die entschlossen an Israels Seite steht, das kleine Land, wenn es ihr erforderlich erscheint, gegen ungerechtfertigte Vorwürfe verteidigt und für Verständnis wirbt.

Nur wenige deutsche Spitzenpolitiker haben so viel für das besondere Verhältnis beider Staaten geleistet wie die CDU-Chefin. Ihr wird Glaubwürdigkeit attestiert. Auch, weil sie für sich in Anspruch nimmt, Kritikwürdiges wie den Siedlungsbau beim Namen zu nennen. Eine Freundin darf, ja, muss das zuweilen.

Unvergessen ist in Israel Merkels Rede vor der Knesset: Es war der historische Tag, an dem die Sicherheit des jüdischen Staats zum Bestandteil deutscher Staatsräson erklärt wurde. So viel offen geäußerte Empathie kommt nicht überall gut an. Doch das kümmert Merkel wenig.

Die Sache mit der Staatsräson als Grundpfeiler der Beziehungen ist jetzt gut zehn Jahre her. Und in Israel wird darüber spekuliert, ob die Regierungsgespräche in Jerusalem womöglich schon so etwas wie Merkels Abschiedstour sein könnten.

Die Führungskrise, das Knirschen in der großen Koalition, die schlechten Umfragewerte – auch im jüdischen Staat machen sich die Verantwortlichen Gedanken über „den Tag nach Merkel“.

Schließlich ist keineswegs ausgemacht, dass die nächste Kanzlerin oder der nächste Kanzler derartig konsequent für Israel Partei ergreifen wird wie es die heutige Kabinettschefin tut. Es geht deshalb darum, das deutsch-israelische Verhältnis auf eine nächste Ebene zu heben.

Israels Botschafter in Berlin hat eine Richtung vor Kurzem angedeutet. In einem Beitrag für den Tagesspiegel schrieb Jeremy Issacharoff mit Blick auf die Staatsräson: „Eine tiefere Formalisierung dieses Prinzips könnte zum Kompass für unsere künftige Reise werden. Im Gegenzug verpflichtet sich Israel in vergleichbarer Weise für die Sicherheit Deutschlands und seiner Bürger.“

Eine spannende Idee. Eine solche Übereinkunft muss ja nicht in einen Vertrag münden. Vorstellbar ist jedoch zum Beispiel eine Art Erklärung. Eine, von der beide Länder profitieren: Deutschland bleibt seiner Verantwortung gegenüber Israel treu, der jüdische Staat wiederum stellt sein Knowhow etwa in Sachen Terrorabwehr und Cybersicherheit zur Verfügung. Das wäre eine Win-win-Situation.

Ohnehin zahlen sich gute Beziehungen zu Israel für Deutschland aus. Wirtschaftlich stark, technologisch innovativ und im Nahen Osten ein politisches Schwergewicht – einen solchen Partner kann Berlin gut gebrauchen.

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Dr. Christian Böhme
Journalist

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