Der Tagesspiegel, 30. August 2019

Das bittere Scheitern des Herrn Abbas

Mahmud Abbas kämpft für einen Palästinenserstaat - und der 83-Jährige hat dabei nichts erreicht

Um die Sache der Palästinenser ist es schlecht bestellt. Ein eigener Staat? In weiter Ferne. Unterstützung durch die Brüder und Schwestern in der arabischen Welt? Bestenfalls verhalten. Akzeptable Vermittlungsangebote durch die Supermacht USA? Fehlanzeige. Versöhnung mit der Hamas in Gaza? Keine Chance. Verbündete in der Dauerfehde mit Israel? Werden tagtäglich weniger.

Mahmud Abbas weiß das alles nur allzu gut. Deshalb reist der Palästinenserpräsident gerne nach Deutschland. Denn auf Angela Merkel ist Verlass. Seit Jahren setzt sich die Regierungschefin für die Zweistaatenlösung ein. Nur auf dieser Grundlage könne es Frieden und Sicherheit für beide Völker im Nahen Osten geben, betont Merkel auch am Donnerstag vor einem Gespräch mit Abbas im Kanzleramt. Ein derart klares Bekenntnis dürfte der Chef der Autonomiebehörde gerne vernommen haben – weil es in diesen Zeiten selten zu hören ist.

Der vermaledeite Nahostkonflikt ist weltpolitisch betrachtet längst kein Thema mehr, das höchste Priorität besitzt. Für Abbas‘ Lebenswerk – seinem Volk zu einem eigenen Staat zu verhelfen – sind das düstere Aussichten. Wenn in nächster Zeit nichts Grundstürzendes passiert, und danach sieht es nicht aus, geht der bald 84-Jährige als Gescheiterter in die Geschichte ein. Einer, der an den Gegebenheiten gescheitert ist. Und an sich selbst.

Als besonders bitter erweist sich für Abbas die Präsidentschaft von Donald Trump. Seit der selbsternannte Dealmaker im Weißen Haus das Sagen hat, ist der PLO-Chef ins Hintertreffen geraten. Denn Trump hat bereits mehrfach einem Palästinenserstaat eine Absage erteilt. In seinem für Herbst angekündigten und von seinem Schwiegersohn Jared Kushner beworbenen Friedensplan wird vermutlich davon keine Rede sein.

Überhaupt scheinen die USA vor allem den Wünschen der israelischen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Rechnung tragen zu wollen. Und die hat sich ebenso wie viele Bürger des jüdischen Staats mit dem Status quo arrangiert. Ähnliches gilt für den Großteil der arabischen Welt. Das Palästinaproblem ist ihnen lästig, ja, hinderlich. Saudi-Arabien zum Beispiel möchte viel lieber mit Israel eine Front gegen den gemeinsamen Erzfeind Iran aufbauen. Da stören die Palästinenser bloß.

Doch dass Abbas so wenig Greifbares erreicht, mitunter sogar der Sache seines Volkes geschadet hat, liegt eben auch an ihm selbst. Immer wieder poltert er, wo strategisches Geschick geboten ist. Fehlende Tatkraft und Machtlosigkeit passen zu einem auffallenden Mangel an Ideen, wie der frustrierende Dauerzustand der Staatenlosigkeit beendet werden könnte.

Zudem ist Abbas alles andere als ein Vorbild in Sachen Demokratie. Seit Jahren lenkt er die Geschicke des Westjordanlands autokratisch per Dekret, seine Amtszeit ist schon seit Jahren abgelaufen. Wahlen werden aber immer wieder verschoben. Die weit verbreitete Korruption wird kaum bekämpft.

So regiert einer, ohne dass über ihn und seinen Kurs abgestimmt werden kann. Gerade junge Palästinenser sind enttäuscht von dem alten Mann. Kaum einer, der noch an ihn glaubt. Ebenso wenig wie an einen eigenen Staat.

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Dr. Christian Böhme
Journalist

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