Starke Meinungen, 8. Februar 2012

Syrische Friedhofsruhe

Diktator Assad lässt weiter sein Volk bluten - auf absehbare Zeit wird sich daran nichts ändern

Machen wir uns nichts vor, hier im gemütlichen, weil weitgehend friedfertigen Teil der Welt: Es werden noch viele unschuldige Menschen in Syrien sterben. Hunderte, vermutlich sogar Tausende. Ermordet von Assads Schergen, die das aufständische Volk im Auftrag des Machthabers bluten lassen. Ein Bürgerkrieg, dessen Ende nicht absehbar ist. Weil ihn weder Diplomatie noch Sanktionen eindämmen können. Der Diktator von Damaskus schert sich nämlich herzlich wenig um derlei Politik der vornehmen Zurückhaltung. Und Assad weiß, dass die Zeit ihm in die mörderischen Hände arbeitet, weil die sogennante  Staatengemeinschaft sich nicht aufraffen wird, den Rebellen ernsthaft zu helfen. Bald herrscht wieder Ruhe im Land, Friedhofsruhe.

Machen wir uns nichts vor: Syrien ist kaum mit Libyen vergleichbar. Und Assad ein ganz anderes Kaliber als Gaddafi. Dem Staat, der seit Jahrzehnten von einem Familienclan samt zugehöriger Partei beherrscht wird, kommt eine geopolitische Schlüsselrolle in der Region zu. Syrien – und das gilt ebenfalls für seinen Präsidenten –  ist ein Machtfaktor, auch militärisch. Mit ein paar Angriffen aus der Luft ist es keinesfalls getan, will man Assad aus dem Amt jagen. Zumal der gelernte Augenarzt, so seriös und charmant er auch daherkommen mag, genau weiß, wie man sich als knallharter Tyrann auf Dauer behauptet. Das Eifernde, das Dumpfe eines Gaddafis ist ihm fremd. Vielleicht erklärt das wenigstens zum Teil, warum von einer flächendeckenden Revolte gegen Assad bislang kaum die Rede sein kann.

Machen wir uns nichts vor: China und Russland werden weiterhin dem Regime in Damaskus den Rücken stärken, mit Worten und Waffen. Sowohl für Peking als auch für Moskau gibt es keinen Grund, den bewährten Verbündeten über die Klinge springen zu lassen. Man kennt sich, kann sich aufeinander verlassen. Und mithilfe Assads glauben die zukünftige und die einstige Supermacht, in dieser Weltgegend Einfluss ausüben zu können – ganz abgesehen vom Wert des syrischen Öls. Und so wird auf absehbare Zeit keine (ohnehin wirkungslose) UNO-Resolution das Licht der Weltöffentlichkeit erblicken. Dass die anderen Staaten lauthals diese Verweigerungshaltung beklagen, lässt Hu Jintao und Wladimir Putin völlig kalt. Veto sei mit uns.

Machen wir uns nicht vor: Der Westen wird sich mit dem Ausdruck größten Bedauerns davor drücken, den Menschen in Syrien, den zivilen Opfern beizustehen. Zu groß ist das Risiko eines bewaffneten Einsatzes, zu gering die Aussichten auf Erfolg. Irak, Afghanistan, Libyen: Die ach so freiheitsliebende Welt ist des Kämpfens in fernen Regionen leid. Und was käme danach? Keiner weiß es so recht. Der arabische Frühling hat bislang ja auch nicht die Ergebnisse gebracht, die man sich von ihm erhoffte. Der strenge politische Winter wirkt Furcht einflößend islamistisch. Mal ganz abgesehen davon, dass noch ein Unruheherd von weitaus größerer Dimension die Gemüter erregt: Iran.

Machen wir uns nicht vor: Es wird noch viele Massaker mit zahlreichen Toten in Syrien geben. Weil Assads Soldateska weiter unbehelligt wüten kann. Und der Westen wird wie bisher tatenlos zuschauen.


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Dr. Christian Böhme
Journalist

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