Der Tagesspiegel, 19. November 2019

Warum die Anerkennung israelischer Siedlungen nicht hilft

Trump bricht mit einer Tradition der US-Politik und billigt Siedlungsbau in besetzten Gebieten

Eines muss man Donald Trump lassen: Wenn es um den Dauerkonflikt zwischen Israel und den Palästinenser geht, wirkt Amerikas Nahostpolitik recht stringent. Die Nähe, ja, innige Verbundenheit mit dem jüdischen Staat und den dort Regierenden scheint eine Grundkonstante seines Handelns zu sein.

Erst lässt der Präsident die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen. Dann nickt Washington Israels Annexion der von Syrien eroberten Golanhöhen ab. Und jetzt heißt es, jüdische Siedlungen in den von Israel besetzten Gebieten verstoßen nach Auffassung der Trump-Administration nicht gegen internationales Recht.

Der Beifall der evangelikalen Wählerschaft und seines Freundes Benjamin Netanjahu sind ihm sicher – ebenso wie der Proteststurm der Palästinenser und eines Großteils der Staatengemeinschaft. Doch die Wut der Anderen kümmert Trump herzlich wenig. Er verteidigt derartige Kehrtwenden vielmehr als das „Anerkennen der Realität“.

Im Fall der stetig wachsenden jüdischen Siedlungen heißt es folglich nun: Den Wohnungsbau im Westjordanland und Ost-Jerusalem für völkerrechtswidrig zu erklären, habe den Friedensprozess keinen Zentimeter vorangebracht. Das klingt zynisch. Aber wirklich abwegig ist diese Einschätzung nicht.

Palästinenser, Friedensgruppen und Staaten wie Deutschland sind empört über jeden Spatenstich in den besetzten Gebieten – was Israels Regierung und mittlerweile einen großen Teil der Bevölkerung nicht sonderlich interessiert. Für die mächtige Siedler-Lobby werden Fakten geschaffen. Seit Jahresbeginn sind nach Angaben von Menschenrechtsgruppen mehr als 8300 Wohnungen in den besetzten Gebieten genehmigt worden – deutlich mehr als im Jahr 2018.

Viele der religiösen Nationalisten sind ohnehin schon längst gedanklich einen Schritt weiter. Sie fordern die Annexion des Westjordanlands. Und jubeln, dass die Supermacht Amerika ihnen dafür das Terrain bereitet. Eine Zweistaatenlösung mit den Palästinensern halten sie für gefährlichen Humbug. Trump und seine Berater sehen das offenkundig auch so.

Nur ist eine allein an tatsächlichen und vermeintlichen Fakten orientierte Politik nicht gleichbedeutend mit guter Politik und schon gar nicht mit erfolgreicher. Die USA unter ihrem heutigen Präsidenten - dessen ultimativer Deal zur Lösung des Nahostkonflikts nach wie vor auf sich warten lässt -  verprellen vielmehr sowohl Palästinenser, die Trumps Amtsantritts wortreich verfluchen, als auch internationale Partner.

Denn die setzen unbeirrt auf ein einvernehmliches Übereinkommen zwischen Israel und den Palästinensern. Für Jerusalem spielt das allerdings längst keine Rolle mehr. Es sieht sich durch den engsten Verbündeten bestätigt.

Also alles bestens aus Sicht der Regierung Netanjahu? Keineswegs. Denn das jetzt Amerika das Faktische in den besetzten Gebieten mehr oder weniger gutheißt, birgt eine große Gefahr für das Selbstverständnis des Landes als demokratisches, rechtsstaatlich verfasstes Gemeinwesen.

Sollte sich Israel letztendlich entscheiden, seine Souveränität über Teile des Westjordanlandes auszudehnen, müsste der jüdische Staat den Palästinenser die gleichen Rechte zugestehen wie jedem anderen Israeli.

Tut er dies nicht, setzt er sich dem Vorwurf aus, eine Zweiklassengesellschaft zu etablieren. Das mögen viele in Israel zwar lediglich mit Schulterzucken quittieren. Aber das Ansehen des jüdischen Staats dürfte wieder mal leiden. Und Frieden ist so schon gar nicht zu haben.

Kontakt

Dr. Christian Böhme
Journalist

Telefon: +49(0)176.32 73 83 34

kontakt@christianboehme.info