Jungle World, 29. März 2012

Don't talk with the devil!

Böhmische Dörfer (2): Islamist, Diktator, Nazi-Größe - warum es sich nicht lohnt, mit dem "Bösen" Interviews zu führen

Da hat sich Claus Kleber aber mächtig abwatschen lassen. Gut 45 Minuten lang haute Irans Staatschef dem ZDF-Nachrichtenmann seine Lügen, Halbwahrheiten und persischen Pseudo-Weisheiten um die Ohren. Da staunte das fachkundige Fernsehpublikum, und selbst der Polit-Laie rieb sich an diesem denkwürdigen Montagabend die müden Augen.

Denn der deutsche Journalist mit Promi-Status ließ Mahmud Ahmadinedschad weitgehend widerstandslos gewähren. Dem „Irren von Teheran“ wurde zwar ein öffentlich-rechtliches Podium für seine Propaganda geboten – inklusive Leugnen des Holocaust –, aber kein Paroli. Kritisches Nachfragen? Den Interviewten argumentativ in die Enge treiben? Widersprüche aufzeigen? Nichts von alledem! Im Gegenteil. Der souveräne Zyniker aus dem Morgenland zeigte dem überforderten Abendländer, was ein rhetorischer Haken ist. Doch Kleber hat davon offenbar wenig mitbekommen – er gab sich trotz des Desasters recht selbstzufrieden.

Damit wären wir beim Grunddilemma. Das personifizierte „Böse“ – ob NPD-Chef, Islamist oder Diktator – lässt sich nicht einfach so im Gespräch entlarven, nur weil ein Journalist es darauf anlegt. Praktisch alle derartigen Versuche sind bislang kläglich gescheitert. Es erging den Möchtegern-Aufklärern wie dem hilflosen Zauberlehrling: Die ich rief, die Geister, Werd’ ich nun nicht los. Und sie machen, was sie wollen. Deshalb: Hütet euch vor dem vermeintlichen Scoop! Keine Sendezeit, keine Zeitungsseiten für diejenigen, die es nur darauf anlegen, ihr krudes Weltbild eins zu eins unters Volk zu bringen.

Selbst Erich Böhme, einst Grandseigneur der Talkmaster, musste diese Erfahrung machen. Im Februar 2000 war er angetreten, um in seiner Sendung Österreichs Rechtsaußen Jörg Haider zu entzaubern. Tatsächlich wurde daraus ein „Gipfel der Peinlichkeiten“ (Guido Westerwelle). Der damalige Chef der FPÖ nutzte die Bühne und zeigte den anwesenden Herren, was eine One-Man-Show ist. Kein Wunder, dass danach nur einer rundum zufrieden war: der Mann aus Kärnten. „Ich konnte alles sagen, was ich rüberbringen wollte“, erklärte der stolze Populist. Die Düpierten, die Demontierten, das waren Böhme und der Rest der Gäste. Der Geschmähte dagegen triumphierte. Insofern ähnelte der Auftritt des Iraners dem des Österreichers: Beide konnten fast unwidersprochen ihre Sicht der Dinge kundtun.

Und der Erkenntnisgewinn? Gleich null. Wie ein Haider tickte, was im Kopf eines Ahmadinedschad herumspukt – das alles wusste oder ahnte man. Nichts Neues, nichts Entlarvendes, nichts Erhellendes. Wozu dann aber der Aufwand, die Selbstbeweihräucherung, man wolle die Welt über lauernde Gefahren aufklären? Das braucht keiner. Denn davon profitiert immer nur einer: der „Böse“.



Kontakt

Dr. Christian Böhme
Journalist

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