Jungle World, 22. Juni 2012

Schweigen ist Gold

Böhmische Dörfer (8): Warum weniger Talkshows in der ARD mehr wäre

Wir sind eine ziemlich redselige Republik. Quasselstrippen geradezu, die sich inbrünstig den Worten, dem Gesagten hingeben. Und dabei politisch dermaßen engagiert zur Sache gehen, dass es eine wahre Freude ist. Zumindest vermittelt das Fernsehen diesen Eindruck. Allen voran die ARD.

Fast kein Tag ohne eine Talkshow, die sich den Zeitläuften und dem Weltgeschehen widmet. Günther Jauch am Sonntag, Frank Plasberg am Montag, Sandra Maischberger am Dienstag, Anne Will am Mittwoch, Reinhold Beckmann am Donnerstag – sie alle versuchen, uns zu besseren, weil wissenden Bürgern zu machen. Nur: Es ist zu viel des längst nicht mehr Guten. Das Überangebot steht dem Erkenntnisgewinn entgegen.

Die Themen, sie sind so vorhersehbar und dröge, wie es die Teilnehmer der Rederunden sind. Arnulf Baring, Peter Scholl-Latour, Oskar Lafontaine, Jürgen Trittin oder Wolfgang Bosbach – sie haben immer viel zu sagen. Das ist ihr Metier. Aber nach gefühlten 500 eintönigen Sendungen sind die spannenden, die überraschenden Momente längst auf der Durststrecke geblieben. Alles wirkt einstudiert, die Rollen sind klar verteilt. Eine öde Endlosschleife, in der täglich das Murmeltier grüßt.

Das haben inzwischen sogar einige ARD-Verantwortliche mitbekommen. Schon häufiger wurde an den Sendungen und den Moderatoren herumgekrittelt. Aber selten in so schonungsloser Offenheit wie in einem jetzt bekannt gewordenen internen Papier des Programmbeirats. Das Gremium geht vor allem mit Jauch und Plasberg hart ins Gericht. Da wird so ziemlich alles moniert: die Gesprächsführung, ein zu starres Konzept, mangelnde Konfliktbereitschaft, zu viel vom immer Gleichen. Besonders Jauch, eigentlich ungekrönter König der deutschen Fernsehlandschaft, bekommt sein Fett weg. Das Ganze gipfelt gar in dem Vorwurf, der Moderator komme seiner journalistischen Sorgfalt nicht nach.

Das nennt man wohl einen Frontalangriff, der keine Rücksicht auf mögliche Verluste nimmt. Und einer, der recht blindwütig daherkommt. Das trifft auch auf dreiste Schelte fürs Studio-Publikum zu. Die Zuschauer störten, „da zu oft und zu häufig auch an unpassenden Stellen geklatscht wird“, was wiederum den Showeffekt verstärke.

Aha, wir haben verstanden: Wer sich sie die Freiheit herausnimmt, eigenständig zu entscheiden, wann er klatscht oder „Buh“ ruft, gilt als ärgerlicher Störfaktor. Das ist, liebe Damen und Herren vom ARD-Programmbeirat, eine Publikumsbeschimpfung der besonders dämlichen Art. Sie nährt den Verdacht, dass hier abgerechnet statt angeregt werden soll.

Schade. Denn das Grundanliegen zielt in die richtige Richtung: Die Zahl der Talkangebote gehört endlich deutlich reduziert – zum Wohle der monatlich Gebühren zahlenden Zuschauer. Das mag in den Ohren der Jauchs, Wills und Plasbergs hart klingen, ist aber fair. Weniger bringt einfach mehr.

Kontakt

Dr. Christian Böhme
Journalist

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