Kunst und Film, 6. August 2012

Sinnestäuschung

Der Mysterie-Thriller "Red Lights" beginnt in Thrillermanier und endet als arg konventionelles Genreprodukt

Erinnern Sie sich noch an Uri Geller? Das war ein Lockenkopf, der in den 70er-Jahren viele deutsche Fernsehzuschauer an ihrer Sehkraft zweifeln ließ und einige sogar richtig nachdenklich stimmte. Könnte es womöglich doch sein, dass zwischen Himmel und Erde Dinge vor sich gehen, die sich rationalen Erklärungen entziehen? Verfügen manche Menschen über Kräfte, die der Verstand für unmöglich erklären muss? Uri Geller jedenfalls schien mit der bloßen Macht seiner Gedanken Löffel zu verbiegen oder kaputte Uhren wieder zum Laufen zu bringen. Nun, der Schein trügte bekanntlich. Der Israeli war weniger ein Mentalist als ein Trickser.

In "Red Lights" hat es die Wissenschaftlerin Margaret Matheson mit Uri Gellers aller Schattierungen zu tun. Gleich zu Beginn des Mystery-Thrillers soll sie in einem alleinstehenden Haus nach dem Rechten schauen. Denn dort scheint es zu spuken. Eine Friseurin gibt vor, mit einem verärgerten Verstorbenen per Séance in Kontakt treten zu können. Der veranstaltet einigen Radau, lässt Tische schweben und lehrt so einer Familie das Fürchten. Doch der Poltergeist erweist sich rasch als ein von Menschen inszeniertes Werk. Die Uni-Professorin rät der verzweifelten Familie einfach, die Friseurin zum Teufel zu schicken.

Nein, Margaret Matheson (souverän: Sigourney Weaver) glaubt nicht an paranormale Fähigkeiten. Sie und ihr Physiker-Kollege Tom Buckley (bemüht: Cillian Murphy) halten sich lieber an Fakten. Und die sprechen eine klare Sprache. Übernatürliche Kräfte, Wunderheiler, parapsychologische Erscheinungen - nichts weiter als Humbug, Schwindel und Täuschung von Geschäftemachern, die Gutgläubigkeit, Naivität und Träume der Menschen ausnutzen.

Auch Simon Silver hat vor Jahren die Hoffnung der Anderen in bare Münze verwandelt, sich dann aber auf dem Höhepunkt seines Erfolgs zurückgezogen. Überraschenderweise kündigt das blinde Medium (unterfordert: Robert de Niro) nun seine Rückkehr aus dem Ruhestand an. Für Margaret Matheson ist das eine zweifache Herausforderung, die zu gleichen Teilen von Wut und Angst geprägt ist. Zum einen konnte Silver bislang nicht des Betrugs überführt werden. Zum anderen soll er Kontakt zu Margarets Sohn gehabt haben, bevor dieser ins Koma fiel. Besitzt der zwielichtige Silver also womöglich doch Kräfte, mit denen man sich besser nicht misst? So beginnt ein Duell, in dem es um die oftmals nebulöse Grenze zwischen Möglichen und Unmöglichen geht. Und um ganz reale Gewalt.

Das klingt durchaus nach einem spannenden Plot. „Red Lights“ beginnt auch in gekonnter Thrillermanier. Regisseur Rodrigo Cortés ("Buried – Lebend begraben") versteht es, den Kinobesucher in die Irre zu führen. Geschickt spielt er Übersinnliches gegen streng Rationales aus. Lässt den Zuschauer darüber nachdenken, ob vermeintlich Tatsächliches wirklich wahrhaftig ist. Dazu passen die Bilder (Kamera: Xavi Gimenez), die das Paranormale als Augenwischerei dekonstruieren und letztendlich demaskieren.

Die Effekte jedoch sind nur das Eine, die Dramaturgie das Andere. Die funktioniert bei "Red Lights" leider nur bis zu Hälfte der 120 Minuten. Dann muss – warum, das bleibt rätselhaft – mit der Wissenschaftlerin Margaret Matheson gerade die Gegenspielerin von Simon Silver sterben. Mehr und mehr rücken die interessanten philosophischen Fragen in den Hintergrund, das Genre-Allerlei gewinnt die erzählerische Oberhand – bin hin zum finalen Showdown mit viel Krawumm und einer fast schon blödsinnig anmutenden Auflösung, mit der der Film seine zuvor stimmig vorgetragenen Ambitionen ad absurdum führt. So ist "Red Lights" trotz des soliden Handwerks und einer guten Idee am Ende konventionelles Kino.

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Dr. Christian Böhme
Journalist

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