The European, 28. August 2012

Feuer einstellen!

Dobrindt, Söder und Konsorten schießen sich auf Griechenland ein. Doch das Bashing der Hellenen ist etwas für Kleingeister

Es reicht! Ich habe die verbale Aufrüstung beim Griechenland-Bashing satt. Ich appelliere in aller Höflichkeit, aber nachdrücklich, an unsere Politiker, endlich abzurüsten. Maß halten statt Dauerfeuer. Das wäre ein Zeichen der Vernunft, der Rücksichtnahme und der – wenn auch kritischen – Solidarität. Und womöglich eine Motivationshilfe für die ziemlich gebeutelten Hellenen, das Notwendige anzupacken. Weil sie wüssten, dass es so etwas wie Beistand gibt.

Doch was machen die Herren Söder, Dobrindt und Co.? Sie bringen schwere Geschütze in Stellung und feuern aus allen Rohren. Hauptsache, die Kaliber sind ähnlich groß ihr Furor. Mal soll ein "Exempel statuiert" werden, mal schert es angeblich niemanden, wenn die Griechen aus der Eurozone gedrängt würden. Alles kein Schreckgespenst, heißt es hochmütig von den Besserwissern. So, als tue man dem hoch verschuldeten Land geradezu einen Gefallen damit, es möglichst grobschlächtig zu verstoßen und mit seinen alten Drachmen sich selbst zu überlassen.

Offenkundig mangelt es den Krakeelern hierzulande am nötigen Vorstellungsvermögen, was die Menschen dort derzeit durchmachen müssen. Dass es in Athen, Thessaloniki, Piräus und anderswo längst ans Eingemachte geht. Existenzen stehen im wortwörtlichen Sinn auf dem Spiel. Für viele ist der Alltag kaum noch zu meistern. Denn die von Europa geforderten Reformen verlangen den Otto-Normal-Griechen zum Teil Unzumutbares ab. Sparen, bis der Arzt kommt, den man nicht bezahlen kann.

Zugegeben: Griechenland hat in der Vergangenheit einiges falsch gemacht, sich den Euro-Eintritt womöglich sogar erschwindelt. Die Korruption ist noch heute allgegenwärtig, die Vergünstigungen für Beamte sind es auch. Millionäre und Milliardäre haben sich mit ihrem Vermögen schon längst ins rettende Ausland abgesetzt. Und das Wort "Steuerehrlichkeit" kennen viele Ärzte und Rechtsanwälte vermutlich nicht einmal vom Hörensagen. Ja, die Fehlentwicklungen sind kaum zu leugnen. Doch reicht dieser Umstand aus, sich als Stammtisch-Kasperl im Tonfall immer wieder zu vergreifen, an Staat und Menschen ein Exempel statuieren zu wollen, Ressentiments zu schüren und blanke Macht zu demonstrieren? Bestimmt nicht! Denn das zeugt zumindest von Instinktlosigkeit, wenn nicht gar von gezielter populistischer Hartherzigkeit.

Klar, auch die besonnenen Kräfte melden sich immer wieder mal zu Wort. Aber die Statements in dubio pro Griechenland kommen oft kleinlaut daher und sind deshalb in der öffentlichen Diskussion kaum wahrnehmbar. Nur einige wenige sind bereit, sich lautstark für die Hellenen in die Bresche zu werfen – und  dies auch nur in Ausnahmefällen. Vermutlich fürchtet man die ominöse "Stimme des Volkes". Und die spricht angeblich eine klare Sprache: Diese Pleite-Griechen müssen nun endlich liefern. Da kann es ja nicht schaden, ihnen richtig Dampf zu machen. Beim Zeus, ärmlicher geht's kaum.

Wie wäre es stattdessen mit ein paar aufmunternden Worten? Einfach mal anerkennen, womöglich sogar loben, dass Land und Leute sich bemühen, die Vorgaben der EU-Größen umzusetzen – so sehr es auch schmerzt. Zugeben, dass seit Jahren herrschende Missstände nicht im Handumdrehen zu beseitigen sind. Dass es Zeit, Ausdauer und Nerven braucht, derartig grundlegende Reformen umzusetzen.

Also, liebe Herren Söder, Dobrindt und Co.: Sofort das Störfeuer einstellen! Griechenland-Bashing ist etwas für politische Kleingeister, für grölende Radaubrüder, die sich nur mit der Bazooka im Mund so richtig stark fühlen.

Kontakt

Dr. Christian Böhme
Journalist

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